
Joey Bargeld im zu Gast im RAPANDBLUES Fotogeschichten Interview, Foto: (c) Lennard Schmitt
In der Serie „Jedes Foto eine Geschichte“ stellen uns ausgewählte Künstler einige Fotos aus ihrem Künstleralltag vor und schreiben darüber. Heute mit Joey Bargeld.
Es ist einer der letzten brütend heißen Tage in diesem Sommer, an dem wir Joey Bargeld in seiner Heimat in Hamburg-Ottensen treffen. Heute, am 13. September erscheint sein Debütalbum „Punk is dead“.
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Grund genug, ein paar Fotos des Ausnahmekünstlers aus den Zeiten rund um seine EPs „1“, „1.1“ und „1.11“ aufzutreiben und natürlich aktuelle Schnappschüsse hervor zu kramen.
Interview mit Joey Bargeld
Wir haben über genau diese Fotos mit ihm gesprochen und sind vielleicht das ein oder anderen Mal vom Stöckchen auf’s Hölzchen gekommen. Lest selbst und checkt hier das Interview.
Foto 1: Trettmann
Joey: Das war auf dem Dockville Festival 2018. Trettmann hat schon die sechs Kronen auf seinen Arm tätowiert, heißt also es muss nach „#DIY“ gewesen sein. Es war auf jeden Fall auch sein Auftritt, bei dem das Foto entstanden ist. Ich durfte meinen Part bei „Nur noch einen“ performen. War tagsüber aber selbst irgendwann auf der Bühne.
RAPANDBLUES: Kannst du dich an die Bildunterschrift erinnern, die benutzt hast?
Joey: „Ne, Danke“? (lacht)
RAPANDBLUES: Wir wissen es gerade auch nicht mehr ganz genau. Auf jeden Fall hast du Trettmann dicke Probs gegeben. Zu Recht!
Album Stream: „Punk Is Dead
Foto 2: ahowdat und Haiyti
Joey: Da hatte ich kurze Haare! Ich war mit ahowdat und Haiyti in der Schanze unterwegs und halte eine Platte von Bad Religion in der Hand. Ich kannte die Platte gar nicht, nur die Band. Obwohl, einen Song kannte ich. Auf jeden Fall hat ahowdat mich mit der Platte in der Hand geknipst. Wir waren da grad auf dem Videodreh von Haiyti zu „Messer“.
RAPANDBLUES: Zu dem Bild haben wir dir ein Zitat von ahowdat mitgebracht, was sie selbst in einem anderen Interview über das Bild gesagt hat:
„Du bist da so zielstrebig zur Hardcore/Punk/Hardrock-Ecke gelatscht und hast dir die Bad Religion-Platte “How could hell be any worse?“ gekauft. Ich kannte dich da ja noch nicht und das war so „Das ist auch so’n junger Rapper aus Hamburg“ und so, aber als ich das Foto gemacht habe, war mir irgendwie klar: Nee, der ist anders“.
Joey: Stimmt! Das ist das erste Foto, was ahowdat von mir gemacht und veröffentlicht hat.
RAPANDBLUES: Wie fühlt sich dieses Zitat in der Retrospektive für dich an?
Joey: Eigentlich so wie damals, ganz normal. Ich bin ja auch anders – denke ich zumindest. Sonst würde sie das auch nicht so sagen. Ahowdat ist eine scharfe Beobachterin. Ich mochte sie schon damals. Wir haben uns vom ersten Tag an gut verstanden.
Foto 3: Haiyti
Joey: Das ist aus dem Video zu „Zeitboy“, auch mit Haiyti.
RAPANDBLUES: Um die Aufnahme dieses Songs ranken sich ja so einige Mythen. Erinnerst du dich noch daran? War es nicht das erste Mal, dass du das KitschKrieg-Team überhaupt getroffen hast?
Joey: Ja, wir waren betrunken und haben die mehr oder weniger im Studio überfallen. Haiyti vorne weg und ich hinten dran. Sie hat mich dann nach vorne geschubst und gemeint ich solle meine Songs präsentieren. Das hätte ich von allein wahrscheinlich nicht gemacht. Und dann ging’s los! Die Woche darauf haben wir schon über ein Album gesprochen, was wir machen wollten. Daraus sind dann drei EPs geworden.
RAPANDBLUES: Und das Video habt ihr auch am Aufnahmetag gedreht?
Joey: Nein, das Video ist nach einer Partynacht vor’m Bunker entstanden – sieht man vielleicht auch. Wir haben das mit einer Handykamera gedreht. Wird dem Song vielleicht nicht so gerecht. Aber schon lustig, wie wir da auf’m Boden sitzen.
Foto 4: Im Studio
Joey: Das bin ich beim Aufnehmen. Ich schaue glücklich drein. Spoiler: Da habe ich eventuell mein nächstes Feature aufgenommen.
RAPANDBLUES: Das Feature ist auch auf deiner Platte?
Joey: Nein, aber die Single ist am Start.
RAPANDBLUES: Man kann dich als Künstler soundtechnisch in keine Schublade stecken. Wie war denn der Produktionsprozess dieses Albums?
Joey: Das liegt an der großen Beat-Bibliothek von Darko Beats. Eigentlich sind wir ganz klassisch rangegangen: Beats angehört, gepickt und ich hatte dann eine Idee für die Hookline oder eine Melodie im Kopf. Trotzdem war nichts wirklich von Vornherein geplant.
Beispielsweise bei „Dancing Shoes“ habe ich den Beat gehört und wusste, den müssten wir machen. Das war nicht geplant, wir dachten auch nicht, dass wir irgendwas machen müssten. Die Beats waren alle schon da. Ich musste mich nur bei Darko bedienen und der hat alles von Disco über harte Gitarrenriffs. Ich höre privat irgendwie auch alles und habe einfach Bock alles zu machen.
RAPANDBLUES: Du bist auch jemand, der in Interviews gern mal sagt „Ich kann nicht rappen. Ich bin kein Rapper“. Wie wichtig ist es dir dich mit dieser Platte aus der HipHop-Ecke raus zu bewegen?
Joey: Das ist mir schon wichtig. Ich finde die meisten Rapper einfach dumm – heutzutage vor allem. Es wird auch nicht besser. Ich will damit nicht sagen, dass es keine tollen Leute im Rap gibt aber ich finde vieles zur Zeit nicht on Point.
Ich bin zwar mein Leben lang schon Hip-Hopper, doch mittlerweile ist mir das zu viel Angeberei. Das ist mir zu dumm. So ist es zumindest in Deutschland.
RAPANDBLUES: Auch wenn du dich dagegen wehrst, in Schubladen gesteckt zu werden. Wie würdest du als Kunstfigur deinen Sound beschreiben?
Joey: Dilettantisch und talentfrei. lacht Aber auch Leute ohne Talent sollen Kunst machen dürfen. Kunst ist frei. Ich bin kein ausgebildeter Sänger und spitte auch keine krassen Reimketten. Aber ich will es trotzdem machen, weil ich Musik so gern habe und mir das was gibt.
Foto 5: Beim Derby ausgebüxt
Joey: Das ist aus dem Video zu meinem Song „Trotzdem“. So sollte das Album eigentlich auch erst heißen. Das Video ist beim HSV vs. St. Pauli Derby gedreht worden. Freund und Helfer ist da und meine beiden Statisten im Hintergrund.
Das ist übrigens direkt beim HSV-Block. Wir sind direkt dort, an der Feldstraße ausgestiegen, sind in den Block gerannt und dachten wir drehen einfach. Das war lustig. Ich musste mich auch noch entblößen. Aber: Die Polizei war sehr lustig, die Fans waren schon eher genervt.
RAPANDBLUES: Du musstest? Es hat dich bestimmt niemand gezwungen den Krankenhauskittel anzuziehen.
Joey: Das Konzept war: Ich reiße aus der psychiatrischen Anstalt aus. Im Hintergrund sind mein Therapeut und sein Helfer, ich renne weg. Das war die Idee.
RAPANDBLUES: Dadurch dass „Trotzdem“ dein Intro der Platte ist und einen sehr rockigen Sound vorgibt, heißt die Platte trotzdem „Punk is dead“. Man möchte meinen das stünde im Widerspruch zueinander. Oder wolltest du eine Art Anlehnung an das Album „Punk is not dead“ schaffen?
Joey: Das Album kenne ich gar nicht. Ich bin auch kein Punk-Hörer, das ist mir oft zu doll. Ich mag lieber Rock. Aber ich mag die Einstellung des Punks. Nicht eine „Ich schnorre jeden Tag an der Ecke“-Einstellung sondern eher die anarchische. Das hat alles keinen Zusammenhang, ich mag das. Ich mache einfach.
Wir hatten so viele Songs und ich durfte glücklicherweise alles entscheiden. Für mich war es das beste Intro. Und wie gesagt bis kurz vor Abgabe hieß das Album noch „Trotzdem“. Ich hab mich dann aber noch kurz vorher umentschieden – glaube aus einer Kneipenidee heraus. Das hat also keinen wirklichen Bezug zu einer Punkband.
Foto 6: Beim Dancing Shoes Videodreh
Joey: Das ist ja noch gar nicht so lange her: „Dancing Shoes“-Videodreh. Ich mache ein Herz, was gleich zerspringt und links sieht man noch Kollegen von mir. Auch spontan mit einem Videographen getroffen und unsere Idee besprochen. Dann haben wir die Location, die wir ursprünglich wollten, nicht bekommen dafür eine in Barmbek – ist aber top secret.
Das ging auch alles relativ schnell: Ich bin angekommen, natürlich zu spät. Dann kamen meine Leute, wir haben angefangen, getanzt und waren nach sechs oder sieben Stunden fertig. Einfach ein schnelles Video für den Song gemacht. Auch wieder konzeptfrei.
RAPANDBLUES: Der Club ruft die Atmosphäre eines Technoclubs hervor. Feiern und Drogen haben auch eine Rolle in deinem Leben gespielt. Darum hast du ja auch keinen Hehl in deiner Musik gemacht. Beschäftigt dich das heute noch oder bist du mittlerweile eher bei Netflix und Chill am Start?
Joey: Chillen aber ohne Netflix! Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste. Vielleicht wird dadurch auch die Verbindung zum Rap weniger. Ich finde das Rap ein bisschen etwas Kindisches hat. Nichts gegen Rapper! Ich glaube das kommt automatisch, dass man älter und ruhiger wird. Andere Sachen werden wichtiger, als sich auf der Straße zu präsentieren.
RAPANDBLUES: Also bist du ein anderer Joey Bargeld als du es noch zu Zeiten des Tracks „Drogen“ warst?
Joey: Ja, auf jeden Fall! Das ist ja auch schon vier Jahre her. Die letzten vier Jahre waren bei mir genau die Phase, in der ich mich aus allem rausgezogen habe. Ich muss nicht mehr jeden Abend unbedingt meine Jungs treffen und durch die Straßen laufen. Das machen jetzt andere. Eine neue Generation.
Foto 7: Vor dem Saal 2
Joey: Heeeey! lacht Das ist vor dem Saal 2. Der Laden im Hintergrund ist glaube ich so ein Fairtrade Einrichtungsladen. An dieser Stelle: Fuck Ikea. Ich war auf der Ecke unterwegs – mit der Brille und der Frisur. Dann kam er vorbei. Wir kennen uns auch, er arbeitet in der Schanze. Eigentlich mache ich keine Fotos auf Nachfrage, aber wir sahen so lustig aus – das musste einfach sein. Er macht übrigens auch Mucke bei „Neoprimitive“.
RAPANDBLUES: Du selbst bist ja auch in Altona geboren und aufgewachsen. Wie wichtig ist dir Hamburg und der Heimatbezug noch?
Joey: Es ist schon so, dass wenn ich weg bin, komme ich gern wieder. Aber es zieht mich mittlerweile eher nach draußen. Hier, in Ottensen müsste ich schon eine Penthouse-Wohnung oder so haben. Aber klar, ich bin noch verbunden mit dem Viertel. Ich bin fast täglich hier unterwegs. Aber nicht mehr nachts.
Foto 8: All you need is less
Joey: Das Bild habe ich gerade erst gemacht! Ein Graffiti – aber nicht von mir. Ich habe das bei einem Videodreh in Berlin aufgenommen. Von wem der Videodreh war, darf ich nicht verraten. Ich bin nämlich nur als Feature-Gast am Start.
Insgesamt hatte ich drei verschiedene Rollen und habe das Foto geschossen, während ich Pause hatte. „All you need is love“ ist ein schöner Song und „All you need is less“ sollte man sich mal hinter die Ohren schreiben.
RAPANDBLUES: Also wolltest du schon damit eine politische Message à la „ihr braucht eigentlich viel weniger, schränkt euch mal ein bisschen ein“ senden?
Joey: Ja, ich lerne das zur Zeit selber. Für mich ist es ein Prozess: Ich konsumiere weniger, vor allem Fleisch und ich kaufe mir keine neuen Klamotten mehr. Meine beiden Jeans habe ich jetzt seit vier Jahren lang. Wenn ich mal Geld auf der hohen Kante habe, gehe ich auch nicht los und kaufe mir irgendwas.
Das hat sich völlig gewandelt. Früher hätte ich das gerne noch gemacht, vor allem auch diese Sportklamotten und so. Aber ich finde das alles nicht mehr richtig für mich.
RAPANDBLUES: Treibt dich diese Einstellung vielleicht vom gegenwärtigen Rap weg?
Joey: Auch, ja. Es soll jedem vergönnt sein, dass man genießen will, wenn man nichts hatte und auf einmal was hat. Mir ist das aber allgemein zu viel. Es wird einfach lächerlich und langweilig. Immer werden die selben Marken präsentiert und die kriegen dann auch noch Werbung umsonst. Aber: Jeder wie er will. Meins ist es nicht.
Foto 9: Libe
Joey: Oh, oh. Ich glaube da war ich bekifft. Das Foto ist für Backspin entstanden. Emil macht für die immer Fotoreihen mit Künstlern, die nicht mit Worten sondern nur mit einer Pose auf seine Frage antworten dürfen.
RAPANDBLUES: Was war deine Frage?
Joey: Weiß ich nicht mehr. Irgendwas, worauf ich Liebe antworte.
RAPANDBLUES: Warum fehlt da ein „e“ bei deinem Tattoo in dem Wort?
Joey: Das hat mir eine Freundin bei sich Zuhause gestochen. Sie ist zwar Tätowiererin und trotzdem haben wir einfach das „e“ vergessen. Aber das braucht es eigentlich auch gar nicht, heißt ja trotzdem Li(e)be.
Foto 10: Styling-Tipps
RAPANDBLUES: Ein relativ untypisches Foto in so einem Outfit oder?
Joey: Das geht an meine Stylistin, die hat immer eine Idee und ein paar Kostüme rumliegen und dann haben wir das gemacht. Neben mir sitzt noch Kanacken Günther. Mit dem hab ich auch mehrere Tracks und eigentlich ein Video am Start. Das hab ich aber gelöscht. Mach ich irgendwie öfter.
RAPANDBLUES: Warum?
Joey: Weiß nicht, find’s irgendwann nicht mehr zeitgemäß. Obwohl es mich bei diesem Video ärgert. Das war eigentlich cool. Kanacken Günther ist auf jeden Fall auch wieder am Start. Und wenn man es rechtlich ganz genau nimmt, bin ich eigentlich sowas wie sein Manager. Wir machen auch schon seit Ewigkeiten Mucke zusammen.
RAPANDBLUES: Und deine Stylistin hat dir das einfach angezogen?
Joey: Genau. Das waren die Sachen, die da waren. Die Schuhe hatte ich auch wieder beim Fotoshooting für mein Albumcover an. Die Jacke – naja – die spricht für sich.
Cover Art + Tracklist

Cover Art: „Punk Is Dead“ von Joey Bargeld
1. Trotzdem
2. Trapsen
3. Fast nichts an
4. Britney Spears
5. Wie teuer bist du
6. Born Trippy feat. Jace
7. Jeden Tag
8. Bei Nacht
9. Kalifornien
10. Fucked Up feat. John Known
11. Dancing Shoes
12. City Life feat. GPC
13. Warum liebst du mich
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Der Beitrag „Wir waren betrunken und haben die mehr oder weniger im Studio überfallen“ – Fotogeschichten mit Joey Bargeld erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.