Quantcast
Channel: Interviews – RAP-N-BLUES.com
Viewing all articles
Browse latest Browse all 466

Interview mit Joel Ferreira Carneiro über sein Plattencover für Mädness & Döll’s „Ich und mein Bruder“ LP

$
0
0

Joel Ferreira Carneiro

Zu einem stimmigen Gesamtbild eines gelungenen Release gehört nicht nur der gute Sound, sondern auch die äußere Verpackung – das Cover-Artwork. Passend dazu läuten wir heute eine Interviewserie ein, in der wir mit ausgewählten Designern über Cover-Arts sprechen.

Egal ob früher im Plattenladen oder heute bei den Streamingdiensten: Ein gutes Cover überzeugt dabei, in neue Musik reinzuhören, die man vielleicht noch nicht auf dem Schirm hatte. Im besten Fall spiegelt es den Inhalt der Platte wieder und man bekommt eine Ahnung, in welche Richtung das Album gehen könnte. Um einen Eindruck davon zu bekommen, was ein gutes Plattencover ausmacht, unterhalten wir uns mit den kreativen Köpfen, die hinter den Covern stecken.

Interview mit Joel Ferreira Carneiro

Den Anfang macht Joel Ferreira Carneiro alias Jofeca.Design. Der aus Hessen stammende Designer hat unter anderem das Cover eines meiner Top10-Releases aus dem Vorjahr erstellt: „Ich und mein Bruder“ von Mädness & Döll (hier unsere Review). Die beiden Brüder sind mir natürlich vorher schon ein Begriff gewesen, doch habe ich sie nicht wirklich aktiv verfolgt. Das Cover des Albums allerdings, welches mir bei einem Streamingdienst angezeigt wurde, fand ich so ansprechend, das ich die LP reingehört und es danach unfassbar gefeiert habe.

Doch wie ist es überhaupt zu der Zusammenarbeit mit Mädness & Döll gekommen und was hat es mit der gelben Farbe auf sich? Diese und weitere Fragen hat uns Joel im Interview beantwortet.

Wie kam die Zusammenarbeit mit Mädness & Döll zustanden?

Joel Ferreira Carneiro: Die eigentliche „Zusammenarbeit“ fing bereits vor der „Zusammenarbeit“ an. Ich kenne Mädness schon seit 1996. Wir haben uns tatsächlich über die Musik kennengelernt. Mädness fragte mich auf dem Schulhof unbekannterweise, ob ich nicht auch Rap höre (der Kleidung nach zu urteilen) und wir nicht zusammen auf das Konzert von De La Soul gehen wollen. Da haben sie gerade „Stakes is high“ herausgebracht.

Von da an war Rap-Musik das Vehikel zu einer Freundschaft, die bis heute andauert und mittlerweile darüber hinaus geht. Ich habe Mädness und dann auch später seinen Bruder Döll bei all ihren Projekten begleitet und unterstützt, so auch bis zum gemeinsamen Album „Ich und mein Bruder“ und hoffentlich auch noch lange in der kommenden Zukunft.

mädness döell ich und mein bruder cover art

Von wem kam die Idee mit den beiden Gesichtshälften? Gab es die Fotos vorher schon oder wurden diese extra für das Cover geshootet?

Die Idee mit den Gesichtshälften ist während des Design-Prozesses entstanden. Zunächst haben wir zusammen gesessen und beide haben mir ausführlich ihre Gedanken zum gemeinsamen Album und dem ganzen Projekt erzählt. Ich bin da vor allem erstmal Rezipient und versuche alle Infos aus so einem gemeinsamen Gespräch zu ziehen – das ist mir generell sehr wichtig.

Ich versuche mich von Anbeginn ebenfalls voll und ganz ins Projekt einzustimmen, um dann in der Konzeption nicht in die falsche Richtung zu denken. Die Idee mit der Akzentfarbe Gelb und diese konsequent einzusetzen, über alle Medien und Formate hinweg, war tatsächlich an dem Abend beschlossen und manifestierte sich sofort in den Köpfen. Kurz darauf wurden direkt schon gelbe Klamotte bestellt, haha.

Das eigentliche Cover war dann aber ein längerer Prozess. Die ersten groben Skizzen der Songs liefen fortan in Dauerschleife und nach einigen Tagen hatte ich ein recht konkretes Bild vor Augen. Das Cover musste beide Brüder gleichwertig präsentieren, aber auch als Einzelkünstler zeigen. Die Songs sind bekanntlich sehr persönlich. Beide lassen den Hörer buchstäblich „sehr nahe“ an sich heran.

Als klar war, dass es auch eine Vinyl-Version geben wird, wollte ich unbedingt mit formatfüllenden Portraits arbeiten, die den Betrachter ebenfalls sehr nahe ran lassen. Um diese „Nähe“ maximal kraftvoll zu übersetzen kam keine Person besser in Frage als unser gemeinsamer, langjähriger, guter Freund und Fotograf André Grohe. Ich hatte zuvor schon alle anderen Cover-Artworks für Mädness mit ihm gemeinsam realisiert und wusste, er kann in ihrem Gesichtsausdruck einfangen, was das Album ausmacht.

Die Simplizität der Idee eines geteilten Portraits fand ich sehr passend. Ich habe viel experimentiert und wir haben das Shooting mehrmals wiederholt bis die Gesichtsausdrücke der beiden zu 100% stimmig waren. Als maßgebliches Konzept des Artworks sind die Portraits somit extra dazu entstanden. Ich hätte das Cover digital zusammensetzen können, entschied mich aber bewusst dafür die Covercollage komplett analog umzusetzen.

Somit war der Akt der persönlichen Beschäftigung mit dem Album auch für mich sehr intensiv, vor allem aber auch hinsichtlich der Realisierung des Schubers. Diese analoge Umsetzung machte für mich das Album-Artwork zu etwas sehr speziellem Projekt. Der Schuber ermöglicht die Verschmelzung der zwei Portraits und gibt dennoch jedem der Brüder seinen Raum. Nicht nur das Portrait mit der Risskante war in der Vorphase eine „Zerreissprobe“ – dank des super Ansprechpartners bei FOUR Manufacturing konnte die Idee auch perfekt umgesetzt werden.

Der Stil des Covers zog sich auch durch die Single-Cover. War das von Anfang an so geplant?

Ja und nein. Die Idee mit der gelben Farbe stand recht früh. Im Laufe der Albumproduktion entstanden parallel viele Elemente und sowohl die Risskante als auch das Farbspiel (S/W und gelb) haben wir konsequent durchgezogen: Tourbanner, Singles, Merch und vieles mehr.

Auch wenn viele dieser Anwendungen solitär betrachtet werden können, so wollte ich ein ganzheitliches Bild schaffen, das nicht verkrampft wirkt. Keine Themen, keine Gimmicks, sondern so simpel und ehrlich wie das Album selbst, dennoch konsistent. Im Nachgang freut es mich natürlich mitzubekommen, dass das auch erkannt wird und bestimmte Leute den Mehrwert darin sehen.

Und ist dein Stil immer so clean und ausdrucksstark?

Ob das „mein Stil“ ist, kann ich nicht sagen, das muss der Betrachter beurteilen. Ich kann über mich zumindest behaupten, dass ich es wichtig finde, den Blick zu weiten und das Ganze zu betrachten. Vielleicht liegt es auch an meiner gestalterischen Sozialisation, dass ich gerne visuelle Gesamtkonzepte favorisiere.

In den letzten Jahren ist mir die „Idee“ aber tatsächlich wichtiger geworden, als die formale Umsetzung. Dennoch sollte das Handwerk natürlich stimmen. Ich spreche gerne von gestalterischer Emphatie. Ich mag es, mich mit Themen zu beschäftigen, gänzlich einzutauchen und eine visuelle Übersetzung dafür zu finden.

Ein guter Freund von mir (Gibmafuffi) hat mal über seine Arbeit als Regisseure/Cutter gesagt: Sein Ziel sei, dass seine Videos den Song nicht nur visuell wiedergeben, sondern aufwerten – das finde ich ein erstrebenswertes Ziel und vor allem eine gute Haltung, die ich teile.

gibmafuffi spielschulden album cover

Du hast auch das Cover zu „Weit entfernt“ von Döll gemacht und das Cover zu „Maggo“ von Mädness. Hast du auch noch für andere Rapper Cover gestaltet? Oder könntest du dir das vorstellen?

Tatsächlich hat mich mein direktes Umfeld immer recht gut beschäftigt. So entstanden in dem musikalischen Soziotop alle Cover-Artworks für Mädness seit 2006: von der erste EP „Aus dem Nichts“, zum Debütalbum „Unikat“, der Free-Release-Eps‘ „Als hätt‘ ich nix getan 1&2“, zum 2. Album „Zuckerbrot & Peitsche“ und Dölls Kollaboalbum mit NOMIS „Alles im Kasten“.

Über viele glückliche Zufälle kam ich 2007 dazu, das Logo und Debütalbum von Marteria zu Gestalten „Base Ventura“, was mich ebenfalls stolz macht, da ich die ersten Schritte von Marten begleitet habe, lange bevor es für ihn richtig durch die Decke ging.

marteria base ventura album cover

Ansonsten: 2012 Kollege Schnürschuhs‘ erstes Release „2Rbostatic“ (da kommt 2018 auch was neues), 2016 dann Gibmafuffi’s „Spielschulden“ EP und seit 2014 mache ich alle Designs des eigenen Labels von meinem langjährigen Freund und ehemaligen DJ von Mädness, Phonk D, der sich mittlerweile mit „Footjob Music“ wieder zu seinen musikalischen Wurzeln der House Musik begibt.

Natürlich bin ich immer aufgeschlossen für Anfragen solcher Art, ich habe aber über die Jahre gemerkt, dass mir der persönliche Kontakt und Draht, sehr wichtig ist für diese Art der Projekte. Es mag sicher daran liegen, dass ich das alles seit Jahren parallel zu meiner hauptberuflichen Zeit als Kommunikationsdesigner mache und mittlerweile als Papa, „Zeit“ ganz anders wahrnehme. Somit auch voll „Rucksack“minded, aber es ist für mich immer noch Crew & Family-business.

doell weit entfernt album cover

maedness maggio album cover

maedness unikat album cover

maedness zuckerbrot peitsche album cover

Was inspiriert dich im Hinblick auf deine Design-Projekte?

Gute Frage. Ich schätze alles, was mich umgibt: meine Familie, meine Frau, meine Tochter, mein Umfeld, meine Freunde. Auch wenn es pathetisch und abgedroschen klingt, aber es ist die Summe aus Allem. Um es in Kano’s Worten zu sagen:

It was the streets that raised me
Streets that paid me
Streets that made me a product of my environment
Yo, I’m a product of my environment
I’m a product of my environment

Ich würde die Frage eher anders formulieren: Was motiviert mich? Ich glaube, es ist die Offenheit für neue Impulse. Als Hip-Hop-Kind der 90er eher wurde ich mit dogmatischem Verhalten konfrontiert, und sozialisert – habe mir aber immer beibehalten begeisterungsfähig zu sein, für alles was „Neu“ ist. Es mag sicher auch daran liegen, dass ich sehr früh in England meine musikalische Heimat gefunden hatte – vor allem im Jungle, Drum and Bass, Grime und Dubstep. Die musikalische Progression, die über Jahrzente von UK aus ging hat mich seit jeher fasziniert. Dieses Interesse nach Entwicklung inspiriert mich und treibt mich voran.

Gibt es ein CD- / Platten-Cover was du selbst richtig gut findest?

Es ist unfassbar schwierig nur eines heraus zu picken. Für mich sind vor allem Erinnerungen und Phasen sowie Menschen meines Lebens mit Cover-Artworks verbunden. Es gibt natürlich viele spannende & interessante Cover. Vor allem Designer die, wie ich finde, in dem Bereich total spannende Impulse setzen und gesetzt haben.

Rage Against The Machine 1992 Cover Art Wenn ich mich aber auf eines limitieren müsste, dann ist es wohl das Cover des gleichnamigen Debüt-Albums von „Rage Against The Machine“. Das hat mich damals total umgehauen – der Sound, die Texte und das Cover. Natürlich hochpolitisch, aber zu der Zeit war es „anders“. Es forderte mich als Betrachter und Zuhörer – verbreitete aber gleichermaßen viel Energie. Es mag irritieren, dass ich kein Hip-Hop-Cover nenne, aber für mich schafften oftmals Cover aus anderen Genres neue Impulse.

Aber es war auch eine Zeit in der es undogmatischer war als die darauf hin folgenden Jahre. Du konntest „Rage Against the Machine“ hören, gleichermaßen Wu-Tang Clan, Cypress Hill, Beastie Boys, Goldie und Biohazard – zumindest in meinem direkten Umfeld in dem ich groß wurde. Heute sind wir glücklicherweise wieder auf einem vergleichbaren Mind-State und die Grenzen verschwimmen – was ich sehr gut finde.


Alle Bilder: (c) Joel Ferreira Carneiro. Mit freundliches Genehmigung

Der Beitrag Interview mit Joel Ferreira Carneiro über sein Plattencover für Mädness & Döll’s „Ich und mein Bruder“ LP erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 466

Trending Articles