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Arvid Wuensch über seine Videos für Antilopen Gang, Fatoni & Juse Ju, Morlockk Dilemma, Sookee + more

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Arvid-Wuensch

In der Serie „Jedes Foto eine Geschichte“ stellen uns ausgewählte Künstler jeweils zehn Fotos aus ihrem Künstleralltag vor und schreiben darüber. Heute mal mit zehn Videos von Arvid Wuensch.

Rap aus Leipzig hat sich in den letzten Jahren als echte Instanz für Fans von technisch und rhetorisch versiertem Rap auf saftigen BoomBap-Sounds etabliert. Spätestens seit Trettmann’s Erfolg ist die Stadt von Morlockk Dilemma, Funkverteidiger, Beppo S. & Peter B., Der Täubling sowie dude&phaeb auch auf dem Schirm der ganz großen Aufmerksamkeit aufgetaucht.

Ein gutes Video hilft natürlich ungemeint, die Musik wirklich schmackhaft an den Mann zu bringen. Hier kommt Arvid Wuensch ins Spiel. Der Videoproduzent ist schon seit über zehn Jahren dabei und kann einen beeindruckenden Katalog vorweisen. Wir haben aus seiner umfangreichen Video-Bibliothek mal unsere zehn Lieblingsvideos ausgewählt und ihm vorgelegt.

Antilopen Gang – „Das Trojanische Pferd“

Die Antilopen Gang hab ich bei dem Dreh für „Vorurteile II“ mit Fatoni und Juse Ju kennengelernt. Danke dafür, Fatoni! Nachdem ich schon für „Aversion“ die erste Videosingle „Der Goldene Presslufthammer“ drehen durfte, sollte ich auch für „Anarchie & Alltag“ die erste Single verfilmen. Das ist immer das schönste Feedback, wenn man von einem Kunden für ein Nachfolgeprojekt angefragt wird. Das Video drehten wir im Leipziger Umland, vor einer Gruft, die einer Pyramide nachempfunden war.

Den Spot kannte ich durch einen Videodreh mit dem Leipziger Rapper Aglie 827, der mir auch sofort, das „Okay“ gab, „seine“ Location zu nutzen. Die Ziege, die gerne als unsere mickrige Version des Trojanischen Pferdes interpretiert werden darf, diente uns als adäquaten Kampfhund-Ersatz. Fast wäre die Aktion aber ins Wasser gefallen, weil zuerst wir und dann der Ziegenbesitzer, die Pyramide nicht gefunden hatten. Da bin ich echt ins Schwitzen gekommen und war froh als dann alles im Kasten war. Abgesehen davon war es wieder ein sehr amüsanter Dreh mit der Pferde…, äh, Ziegen…, äh, Antilopen Gang.

Die Kraszesten – „fünfkommavier“

Mit den Funkverteidigern verbindet mich ja viel. Das waren die ersten Künstler – Katharsis ganz voran – deren Musik ich bebildern durfte, was mich unglaublich motiviert hat, das Ganze ernst zu nehmen.

Für „fünfkommavier“ hatte sich das Funkverteidiger Umfeld in den schönsten Zwirn geworfen und im Barfly in der Südvorstadt von Leipzig eingefunden. Das war also ein richtiges Heimspiel. Die Idee, das Abendmahl darzustellen, kam ganz sicher von Pierre (Sonality) – er hat immer solche Eingebungen. Pierre hat auch alles organisiert, soweit ich mich erinnern kann, so dass ich mich ganz auf das Filmen konzentrieren konnte. Die EP hab ich als extrem stark in Erinnerung und sollte sie mal wieder anhören.

dude&phaeb mit Pseudo Slang – „Gravitage“

dude&phaeb waren die ersten Musiker*Innen, die mich in eine andere Stadt einluden, um ein Musikvideo für sie zu drehen. Phaeb hatte „mein“ (fast alle Ideen und Einstellungen kamen von Pierre) Video zu „Vieles ist wahr von dem Scheiss“ von Pierre Sonality und Neo Kaliske gesehen und mich deshalb angeschrieben.

Ich glaube dude&phaeb waren auch die ersten, die mir jemals Geld für meine Arbeit gaben, auch wenn es nur etwas mehr als die Fahrtkosten waren. Phaeb wollte mir mehr geben, aber ich empfand die Ehre als Bezahlung genug. Der allerbeste Geschäftsmann bin ich heute immer noch nicht, aber ich hab auf dem Gebiet deutlich Fortschritte gemacht, sonst könnte ich das Ganze heute auch einfach nicht mehr machen können und würde wahrscheinlich als Angestellter arbeiten.

Wir drehten damals also in Hildesheim und dem benachbarten Hannover zu dem Song „Nightlife“ ein Musikvideo. Ich hatte damals eine Canon 550 mit einem Kit-Objektiv, vollkommen unzureichend für ein Nachtvideo. Aber irgendwie hatte es doch funktioniert. Wir hatten viel Spaß beim Dreh und dude26 servierte uns danach eine der besten Pastas, die ich jemals gegessen habe und ich freute mich als bald darauf erfuhr, dass sie nach Leipzig ziehen würden.

Pseudo Slang aus Chicago eröffnete mir eine ganz neue Welt, aber das wird man hoffentlich bald in einem längeren Dokumentarfilm über die Gruppe sehen. „Gravitage“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von Künstler*Innen die ich sehr mag und die sehr wichtig für meinen Werdegang sind und waren.

edit Allstars – „D.W.D.P.N.L.“

Das Konzept (zum Video) kam von Edit und war relativ simpel. Wir packen die Rapper in einen alten Mercedes, leuchten das Ganze stimmungsvoll aus und los geht es. Dachten wir jedenfalls. Einer der Rapper hatte den Abend zuvor allerdings Geburtstag gefeiert und zwar ordentlich.

Er war nicht zur verabredeten Zeit da und ging auch nicht ans Telefon. Also fuhren wir direkt zu ihm, klingelten. Keine Reaktion. Zum Glück hatte Headtrick seine Trompete mit. Damit stieg er auf den Balkon des besagten Rappers und blies ordentlich ins Horn. JETZT konnten wir anfangen. Etwas peinlich wurde es am Ende des Drehs als ich Justus Jonas beichtete, dass er damals einer meiner absoluten Lieblingsrapper war.

Fatoni & Juse Ju – „Gravitationswellen“

Juse Ju hatte ich, genau wie die Antilopen Gang, bei „Vorurteile II“ kennengelernt. Auch dafür danke, Fatoni! Juse ist in echt so sympathisch, wie er in Interviews rüberkommt. Ein super Typ.

„Das Verrückte Haus“ steht in der Nähe eines Einkaufcenters für das ich regelmäßig Filme drehe. So ganz verstanden habe ich das mit den Gravitationswellen nicht, aber ich dachte mir, irgendwie wird ein umgedrehtes Haus schon dazu passen, witzig ist es auf jeden Fall. Um für den Besucher das Erlebnis noch zu verstärken, ist die Decke, beziehungsweise der Boden, jedenfalls die Fläche auf der man läuft, schief und krumm. Das hat keinen zusätzlichen visuellen Nutzen, hat das Filmen aber noch etwas weirder gemacht.

Auch haben wir immer mal wieder diskutiert, ob wir Antons Hut jetzt fallenlassen oder nach oben werfen, damit es schlüssig ist. Wie schon bei „Vorurteile II“ hat sich Juse bei dem Dreh wieder mal ordentlich wehgetan, was natürlich auch im Clip gelandet ist. Der gewünschte Effekt wurde jedenfalls erzeugt und einige Zuschauer beklagen sich über ein Übelkeitsgefühl beim Anschauen.

Ket & Scientist mit DJ Skala –
„Geh deinen Weg“

Ket und Scientist waren genau in dieser Konstellation mit die ersten Leipziger Rapper*Innen, die ich jemals live gesehen habe. Ich glaube das war 1999 oder 2000, auf der Hinfahrt lief jedenfalls „It’s mine“ von Mobb Deep & Nas im abgewrackten Polo meines guten Freundes Jimbo. Ket und Scientist fand ich cool, ich glaube, dass ich das Scientist auch sagte. Aber das kann auch Einbildung sein.

Maulheld, damals noch mit seinem Back-Up Zubrot unterwegs, Microphoenix und Kaitek sind weitere Musiker, die ich damals auf verschiedenen Jams sah. Das waren alles recht peacige Veranstaltungen. Dann gab es aber auch zunehmend aggressivere Künstler*Innen, die dann auch ein entsprechendes Publikum hatten, das war nicht ganz so meins und ich wandte mich immer mehr super nerdigem US-Rap und Soul und Funk zu. Im Nachhinein betrachtet war diese Aggression, aber wahrscheinlich der Impuls, den die Szene brauchte um sich weiterzuentwicken.

Es gab damals ein berüchtigtes Internetforum namens „Kopflast“. Dort war ein großer Teil der Szene sehr aktiv, oft vor allem auch aktiv am haten. Schade, dass es nicht mehr online ist, man hätte dort viel von der Hip-Hop Geschichte der Leipziger Szene nachlesen können. Ich hoffe inständig, dass irgendjemand ein Back-Up der Beiträge gemacht hat. (Anm. d. Red.: das Forum ist wieder online).

Durch einen Rapper/Beatmaker, der ein paar US-Imports von mir abkaufte, fand ich 2008 wieder zur Leipziger Hiphop-Szene zurück („wieder“ ist etwas übertrieben, weil ich nicht wirklich Teil der Szene gewesen bin). Er stellte mir Katharsis vor, der mich wiederum mit Odd Job und Dixie Burner bekannt machte, infolgedessen ich dann auch den großen Marcus Borchert kennenlernte. Dieser ominöse Rapper/ Beatmaker wurde eine zeitlang ein wichtiger Begleiter und ist mit dran Schuld (meinen Bruder Aurel trifft ebenso viel „Schuld“), dass ich heute der Kamera in der Hand durch die Welt ziehe.

Ich stellte ihn etwas später seiner zukünftigen Lebensgefährtin und Mutter ihrer Kinder vor, tatsächlich auch in der selben Bibliothek, in der ich gerade diesen Text schreibe. Er hat eine Familie „bekommen“ und ich meine Berufung. Das ist fast ein bisschen wie in den modernen Märchen von Salman Rushdie. Leider haben wir uns etwas aus den Augen verloren, was definitiv meine Schuld ist.

Ket und Scientist treten heute noch gelegentlich auf, was jedes Mal eine Freude ist und mich zudem an die Anfänge erinnert.

Morlockk Dilemma – „Napalmregen“

Über die Anfrage von Morlockk Dilemma habe ich mich als Leipziger natürlich ganz besonders gefreut. Und auch davon abgesehen, ist er einfach ein Ausnahmemusiker, eine Trophäe also, die in meiner exklusiven Sammlung von Sprechgesangskünstler*Innen nicht fehlen durfte. Wir kennen uns schon seit längerem flüchtig, aber das war das erste Projekt, was ich mit ihm umsetzen durfte.

Mein alter Freund Katharsis sprang als Fahrer ein und kutschierte uns nach Paunsdorf, in die Eisenbahnstraße – laut „taff“ die gefährlichste Straße Deutschlands – und zu einem Friedhof, um die obligatorische Prise Morbidität, die ein Morlockk Dilemma Streifen nun mal benötigt, zu gewährleisten.

Ich hatte schon mal in einem Interview über Morlockk Dilemma gesprochen und ihn sinngemäß zum unangefochtenen „König von Leipzig“ gekürt, was prompt die Schlagzeile des Interviews wurde und mancher fälschlicherweise so deutete, als würde ich mich selbst damit meinen. Das möchte ich an dieser Stelle für alle Zeiten richtigstellen. Ich verorte mich da eher bei The Grouch, denn „I’m just a simple man“.

Sonne Ra – „Noch ein Schritt weiter“

Sonne Ra & Sadya Jamama dürfen in dieser Auflistung auf keinen Fall fehlen. Ich hatte die beiden 2004 in der Sachsen-Anhaltinischen Kleinstadt Zeitz auf so einer Art Dorffest das erste Mal gesehen. Für die älteren Herrschaften spielte erst eine AC/DC Cover-Band, danach ging es weiter mit krass untergrundigem Rap für die jungen Menschen. Ein spektakulärer Clash! Zumindest für meine Freunde und mich, die Kleinstadt-Bewohner waren da irgendwie abgeklärter. Im Gegensatz zur Großstadt gibt es da auch einfach nicht diese vielen kleinen subkulturellen Inseln, die alle relativ isoliert voneinander existieren.

Wir waren jedenfalls da, um uns die geballte Ladung „Project Blowed Sounds“ um die Ohren hauen zu lassen, die uns Rifleman und NGA FSH auch nicht schuldig blieben. Die gingen übelst krass ab, sogar noch etwas krasser, als ich es mir sowieso schon vorgestellt hatte.

Vollkommen unerwartet traf mich aber vorher noch die Vorgruppe Yabamm – bestehend aus Manschmann (heute bekannt als Sonne Ra) & Sadgda Jamama. Total abgefahrene Beats und nicht weniger exzentrische Raps schallten auf einmal durch die Speaker, aus denen gerade noch australische Rockmusik plärrte. Wahnsinn! Ein paar Jahre später fragte ich die beiden über Myspace für einen „Hiphopkiosk“ Sampler an, woraufhin wir in Kontakt blieben.

Sadgda Jamama hat „Einen Schritt“ weiter produziert und Sonne Ra erzählt vom Leben in der Diaspora, teils aufgrund eigener Erfahrungen, teils inspiriert von der afro-deutschen Künstlerin und Aktivistin May Ayim und ihrem Gedicht „grenzenlos und unverschämt – ein Gedicht gegen die deutsch Sch-einheit“.

Das Video drehten wir in Leipzig am Cospudener See und es war passenderweise da gerade so windig, dass der Baggersee auch als Meer durchgeht. Im Video sieht man außerdem Neo Kaliske und Tony Dancer. „Ein Schritt Weiter“ ist ein Video, das mir aufgrund des Songs aber auch aufgrund der Musiker*Innen sehr am Herzen liegt.

Sookee – „Q1“

Sookee war mir schon lange als Künstlerin aufgefallen, die Musik nicht nur als Selbstzwecke sieht, sondern auch als Medium, mit dem man Missstände formulieren kann. Wir drehten das Video in Leipzig, im Studio von Jörg Singer, in dem ich zuvor erst ein Musikvideo für die tolle Band Karl die Große drehen durfte. Der Dreh fand zwischen Weihnachten und Silvester statt, deshalb war es gar nicht so einfach passende Tänzer*Innen und Kampfsportler*Innen für den Dreh zu gewinnen, worin Sookee dann auch deutlich erfolgreicher war als ich. Sookee war auch beim Dreh extrem fokussiert, ich hab selten jemanden so professionell arbeiten sehen.

Ein paar Wochen später besuchte ich eine Show, auf der Camoufingo spielte. Danach legte eine DJane auf und nach Rihanna spielte sie einen Song, der mir irgendwie vertraut vorkam. Andere Gäste waren schneller und nickten jetzt etwas energischer zum Beat. Der Song war „Q1“ und ich sah, wie nicht wenige Gäste den kämpferischen Text mitsangen und er ihnen scheinbar ein ermächtigendes Gefühl gab.

Das war ein richtiger Gänsehaut-Moment, gerade auch weil wir uns in Connewitz befanden, dem sogenannten „alternativen“ Stadtteil von Leipzig, der kurze Zeit zuvor erst Ziel eines Hooligan-Nazi-Überfalls gewesen ist.

T9 – „Ins Licht gehen“

Für „Ins Licht gehen“ nahmen mich Doz9 und Torky Tork mit in das ländliche Brandenburg. Torky Tork saß am Steuer und nachdem Doz9 von den häufigen Wildunfällen erzählte, hupte Torky aller paar Meter um das Wild zu verscheuchen, das herdenweise nur darauf wartete uns vor die Motorhaube zu springen. In einem der Dörfer, die wir durchfuhren, wollten wir noch ein Tiefkühl-Huhn kaufen, leider erfolglos. Wir begnügten uns mit dem vorhandenen Angebot und Doz zauberte uns unvorstellbar gutes Essen auf die Teller.

Die nächsten zwei Tage verbrachte ich mit den beiden also in einer Hütte im Wald. Sehr schön, aber auch tatsächlich sehr gruselig, sobald die Sonne untergegangen war. Zu allem Überfluss tauchte dann auch noch ein blutrünstiger Satanist, halb Mensch/ halb Pavian auf. Nachdem ich mich tot stellte, verscharrten mich meine Gefährten in einer Grube, aus der ich mich nur mit Mühe und Not befreien konnte. Es war also ein unvergesslicher Ausflug mit T9. Immer gerne wieder.

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