PCP Beatz setzt seine Beats vor allen Dingen aus Samples zusammen. In der Vergangenheit hat er bereits für Separate und DLG produziert und unter anderem bereits zwei Free-EPs veröffentlicht.
Im Interview spricht der Mainzer mit uns unter anderem darüber, wo er nach seinen Schätzen gräbt und erläutert anschließend den Arbeitsprozess des Sampling.
Bevor wir beginnen, kläre uns doch bitte einmal darüber auf, was der Begriff „Sampling“ für dich bedeutet.
Sampling bezeichnet den Vorgang, einen Teil einer Tonaufnahme als Instrument oder Sound in einem anderen Song neu zu verwenden. Anders gesagt, wenn du einen Fetzen aus einem anderen Song in deinem Beat verwendest, dann hast du gesamplet. Das Ganze kann man so weit treiben, dass man einen Beat baut, der komplett nur aus Samples von anderen Songs besteht.
Wie ist das Sampling in der Hip Hop Kulur entstanden?
Man kann sagen, dass Hip Hop Musik auf der Kunst des Samplens basiert. Der Ursprung der Sampling-Kultur in Hip Hop liegt in den frühen Anfängen. Damals war es so, dass DJs mit Hilfe von zwei Plattenspielern, einem Mixer und zweimal der gleichen Platte die so genannten Breaks (perkussive oder instrumentale Passagen, insbesondere von Funk, Rock und Jazz Songs) quasi manuell geloopt haben. Die populären Breaks aus dieser Zeit wurden dann später auch gerne von den Beatmakern gesamplet.
Die Jahre ab 1979, als Hip Hop erstmalig auf Platte veröffentlicht wurde, sehe ich so ein bisschen als Findungsphase. Da gab es dann Versuche einen passenden Soundteppich für die MCs mittels traditioneller Bands zu schaffen (z.B. „Rapper’s Delight“ von der Sugarhill Gang). Ein anderer Ansatz bestand darin Drumcomputer wie die Oberheim DMX oder die Roland TR-808 zu verwenden. Vor allem sind da Produzenten wie Rick Rubin und Davy DMX zu nennen. Auch Synthesizer spielten eine Rolle, beispielsweise bei Afrika Bambaataas „Planet Rock“.
Als dann Marley Marl Mitte der 80er kam, hat sich das alles geändert. Er hat erstmals einen Breakbeat gesamplet und diesen mit Hilfe von drei Korg SDD-2000 sampling-delay units, die er mit der 808 getriggert hat, neu programmiert. Damals wollte jeder so klingen wie MC Shans „The Bridge“ und anfangs war es ein Mysterium, was Marley Marl genau macht, dass seine Beats so klingen. Es gibt ja diese Anekdote von Russell Simmons, der in einem Multi-Millionen-Dollar-Studio einen cholerischen Anfall bekommt, weil er einfach nicht verstehen kann, dass jemand, der in seinem Apartment in Queensbridge Songs produziert, einen besseren Sound hat als seine Releases.
Als dann Produzenten wie der Bomb Squad oder Dr. Dre gecheckt hatten, dass Marley Marl von Platten sampelt, haben diese natürlich selbiges gemacht und ihre DMX oder 808 gegen eine Emu SP-1200 ausgetauscht. Mit der Zeit wurde dann die Technik des Samplings immer ausgefeilter und auch das Digging kultiviert, da die innovativen Beatmaker nicht nur James Brown und die gängigen Breaks samplen wollten. Da begann dann die Suche nach den raren Breaks und obskuren Samplen. Vor allem sind da Produzenten wie Pete Rock, DJ Premier, RZA, Q-Tip, Large Professor und die D.I.T.C. Crew zu nennen.
Was macht das „Sampling“ so besonders?
Das Besondere an Samples für mich ist einfach der Sound. Heutzutage hat man ja Zugriff auf Terabytes an Sound Libraries und virtuelle Instrumente im Überfluss. Für mich kann aber eine Snare aus einer Library niemals mit einer von Platte gesampleten Snare mithalten. Ein Sample von einer Platte hat für gewöhnlich etwas Lebendiges und Dreckiges. Das macht gerade den Sound von Samples aus.
Das Lebendige kommt daher, dass ein Song normalerweise von Menschenhand stammt und das Dreckige ist darauf zurückzuführen, dass insbesondere bei alten Aufnahmen die Musik einen langen Weg durch Bandmaschinen, Röhrenverstärker, etc. genommen hat bevor sie auf Platte gepresst wurde. Für mich ist Lebendigkeit in Musik sehr wichtig und mir gefällt Hip Hop am Besten, wenn er organisch und dreckig ist.
Wie gehst du beim „diggen“ vor?
Vorweg muss ich sagen, dass ich mich nicht als echten „Digger“ oder Plattensammler bezeichnen würde. Echte „Digger“ haben ihre Prinzipien und um denen gerecht zu werden muss man jede Menge Zeit und Geld investieren. Ich beschäftige mich dafür lieber mit Mixing und Mastering, was auch recht zeitaufwändig ist.
Wenn es ums „Diggen“ geht, habe ich eher eine pragmatische Einstellung. Mir ist letztendlich egal, ob ich von einer Erstpressung sample oder ob die Plattenhülle in Topzustand ist. Ich sample natürlich auch am liebsten von Vinyl, ganz einfach aus Qualitätsgründen. Ich bin aber auch nicht abgeneigt von einer mp3 zu samplen. Allerdings würde ich niemals von YouTube samplen, weil die Audioqualität da einfach miserabel ist.
Das Internet ist natürlich der komfortabelste Platz zum „Diggen“. Sei es nach Vinyl oder nach mp3s. Da können die typischen Flohmärkte nicht mithalten, weil man dort erfahrungsgemäß fast immer den gleichen Müll findet. Nichtsdestotrotz gehe ich immer alle Platten durch, wenn ich irgendwo auf welche stoße.
Das Wichtigste um ein geiles Sample zu finden, ist wahrscheinlich Geduld und Liebe für Musik. Allerdings hilft es einem schon weiter, wenn man eine gewisse Kenntnis von Interpreten, Labels und Instrumentalisten hat. Aber als „Digger“ bist du auch immer auf der Suche nach etwas Neuem und checkst dann natürlich auch gerne dir unbekannte Interpreten ab.
Wie umfangreich ist deine Plattensammlung?
Wenn ich alle Formate zusammenzähle, d.h. Vinyl, CDs, Tapes und mp3s, komme ich grob geschätzt auf etwa 10.000 Alben.
Wie wird aus einem Sample schließlich ein fertiger Beat?
Wenn ich etwas passendes zum samplen gefunden habe, ist es meistens so, dass ich schon eine relativ genaue Vorstellung habe, wie ich aus dem Sample einen Beat bauen möchte. Anschließend choppe ich das Sample in kleine Stücke und versuche dann meine Vorstellung umzusetzen.
Dabei gibt es dann verschiedene Methoden der Manipulation. Man kann den Pitch ändern, die Anordnung des gechoppten Samples, man kann bestimmte Sounds rausfiltern, man kann Samples layern oder mit Effekten bearbeiten etc. Ich versuche dann relativ früh passende Drums zu finden, die ich zuvor schon gechoppt habe und irgendwann steht dann das Beatgerüst.
Anschließend füge ich gerne noch andere Samples hinzu und baue Variationen ein in Hinblick auf ein komplettes Arrangement. Ich mag es nicht, wenn Beats zu klinisch klingen. Daher gehe ich mit Quantisierung sehr sparsam um und benutze auch keinen Click. Gerade bei Beats, die zum Großteil auf Samples basieren, ist es schon von großem Vorteil, wenn man über ein paar Engineering-Skills verfügt. Im Gegensatz zu Library Sounds klingen Breakbeats schon recht mickrig, sodass man schon ein bisschen Arbeit investieren muss um seine Drums zum Knallen zu bringen.
Ob nun der Umgang mit dem Sample entscheidender ist als das Sample an sich, kann ich pauschal nicht sagen. Es gibt Beats, bei denen das, was aus einem Sample gemacht wurde, einen vom Hocker haut und es gibt Beats, bei denen das Sample das Highlight ist. Letztendlich ist aber beides wichtig.
Sampeln, remixen, klauen – wo liegen da für dich die Grenzen?
Picasso hat mal gesagt: „Gute Künstler kopieren, große Künstler stehlen“. Das bringt es eigentlich ziemlich genau auf den Punkt. Ich glaube, dass große Kunst darin besteht, hier und da etwas zu nehmen und daraus dann sein Eigenes zu machen. Sampling ist im Grunde genommen nichts anderes. Künstler, die lediglich kopieren, imitieren andere Künstler und daraus kann nichts Neues, nichts Innovatives entstehen. In Hip Hop gibt es ja eigens den Begriff „biten“ dafür.
Leute, die Sampling als Diebstahl bezeichnen, haben die Kunst des Samplens nicht verstanden. Es gibt natürlich Songs, bei denen Samples mal mehr und mal weniger kreativ benutzt werden. Dennoch ist Diebstahl der falsche Begriff meiner Meinung nach. Mir ist kein Fall bekannt, bei dem jemand gesamplet wurde und deswegen Verluste erleiden musste. Ganz im Gegenteil, es gibt eine Reihe von Künstlern, die mehr Geld gemacht haben, weil sie gesamplet wurden, als mit ihrer eigenen Musik. Außerdem ist Sample Clearing als Business zu sehen. Da geht es nicht um Gerechtigkeit.
Ein populäres Beispiel : Angenommen man samplet den Break von James Browns „Funky Drummer“ und möchte diesen clearen. Dann bezahlt man den Songwriter, d.h. denjenigen, der die Rechte von James Brown geerbt hat, sowie das Label, das alles Mögliche mit den Rechten angefangen haben kann. Unter dem Strich verdient also niemand, der bei der Aufnahme im Studio war. Wenn es um Gerechtigkeit ginge, müsste der Drummer Clyde Stubblefield und auch der Engineer, der ja auch maßgeblich am Sound der Drums beteiligt war, einen schönen Batzen von den Millionen abbekommen haben.
Deine Erfahrung beim „clearen“ von Samples?
Im Underground-Bereich spielt Clearing keine große Rolle. Alleine die Kosten um ein Sample zu clearen würden das Album-Budget erschöpfen. Es macht auch nicht viel Sinn bei einem Album, dass vielleicht ein paar wenige tausend Einheiten verkauft hat, zu klagen. Wenn Timbaland auf dem Jay-Z Album einen weitestgehend unbekannten Schweizer Jazz-Musiker samplet, sieht das natürlich schon anders aus.
Casper erwähnt in Interviews sehr oft, dass er Zeilen oder Song- und Albumtitel von anderen Künstlern zitiert und „collagenartig“ daraus eine neue Sinnhaftigkeit entwickelt. Ist dies eine neue Art des „Samplings“?
Ich würde das nicht als Sampling bezeichnen, weil Casper ja kein tatsächliches Sample verwendet.
Anno 2013: Straßenrap bewegt sich weg von „Synthiebrettern“ hin zu Boom Bap und samplebasierten Instrumentals. Was sagst du dazu?
Ich freue mich natürlich darüber, dass Boom Bap und 90s Sound in den letzten Jahren wieder mehr und mehr an Relevanz gewonnen haben. Ich denke, dass der Trend noch einige Zeit anhalten wird, sowohl in den Staaten als auch hierzulande. Erst mal freut mich das als Hörer und Fan. Zudem spielt mir das auch in die Karten. In der letzten Zeit habe ich schon vermehrt Anfragen nach Boom Bap Beats bekommen.
Vor ein paar Jahren hatte man das Gefühl, dass der Begriff Boom Bap fast ausgestorben ist. Mittlerweile ist das schon ein Modebegriff geworden und wie das so bei Trends ist, gibt es auch eine Menge Trittbrettfahrer. Das, was als Boom Bap hingestellt wird, ist allerdings oftmals nicht das Wahre in meinen Ohren.
Bitte nenne uns ein paar deiner Lieblingssamples?
Da gibt es so viele. Wenn ich mich für ein Lieblings-Sample entscheiden müsste, dann wäre das wohl das „They Reminisce Over You“ Sample. Unglaublich, wie Pete Rock das damals verwendet hat, insbesondere wenn man bedenkt, dass der Song von 1992 ist.
Bei den Songs, die ich produziert habe, würde ich vielleicht das Sample von Separates „Allein gegen die Welt“ oder „State of Mind“ von Mo-D X PCP und Gregpipe nehmen.
Das „Allein gegen die Welt“ Sample ist von einer ziemlich obskuren Platte gewesen. Auf der Platte waren nur zwei Songs, die jeweils 20 Minuten lang waren. Die Songs waren ziemlich corny, aber glücklicherweise habe ich mal durchgeskippt und dann mitten auf der A-Seite den Teil, den ich für den Song gesamplet habe entdeckt.
Bei dem „State of Mind“ Sample war es so, dass Mo-D sich einen Piano Beat im Stile von „N.Y. State Of Mind“ vorgestellt hatte. Ich habe das Sample dann auf einem recht bekannten Album von einem oft gesampleten Jazz-Pianisten gefunden und erstaunlicherweise hatte das noch niemand zuvor benutzt meines Wissens. Ein paar Leute haben sogar gedacht, dass ich das Sample von „N.Y. State Of Mind“ verwendet habe.
Bist du einer der Gründe dafür, dass Separate und Gregpipe wieder Lust am rappen bekommen haben?
Nein, das war nicht der Fall. Separate habe ich erst kennengelernt, als er „El Mariachi“ bereits etwa zur Hälfte geschrieben und aufgenommen hatte. Ich habe ihm dann versucht zu helfen daraus ein gutes Album zu machen. Bei „Wahrheit“ war ich dann weniger involviert und habe nur ein paar Beats beigesteuert.
Gregpipe hat mir vor einem guten Jahr gesagt, dass er ein Album machen will und dass er gerne mit mir arbeiten würde. Er war mit seinem Debüt-Album „El Mágico“ nicht ganz so zufrieden und hat jetzt das Bedürfnis mit „Dopamin“ sein Magnum Opus zu liefern. Wir befinden uns noch mitten in der Produktionsphase, aber ich glaube, dass er da auf einem sehr guten Weg ist.
Gibt es schon spruchreife Produktionen, die in naher Zukunft von dir erscheinen werden?
Zum Einen kommt dieses Jahr „Dopamin“ von Gregpipe. Darauf werden sicherlich einige Songs von mir produziert sein. Außerdem arbeite ich gerade an einem neuen Mo-D X PCP Projekt. Wir planen eine Konzept-EP, die ähnlich einer Symphonie oder Oper aufgebaut ist.
Des Weiteren habe ich hier und da noch jemanden produziert und die ein oder andere Überraschung wird bestimmt auch noch hinzukommen.
Du gilst als ein langjähriger N.W.A. Fan. Wie gefällt dir der erste Trailer zu „Straight Outta Compton – The Story of N.W.A“?
Ich bin da so ein bisschen geteilter Meinung. Nachdem ich den Trailer zu „Straight Outta Compton – The Story of N.W.A“ gesehen habe, befürchte ich schon, dass der Film zu Hollywood wird. Positiv ist aber, dass die Member von N.W.A. an dem Film beteiligt sind. Ich lasse mich einfach mal überraschen. Im Großen und Ganzen denke ich aber, dass es eine gute Sache ist, weil eine jüngere Generation etwas über ein wichtiges Kapitel in der Hip Hop Geschichte erfährt.