Für was steht das neue ‚Hengzt‘ Album? Bildet es die authentische Rückbesinnung zu den eigenen Wurzeln ab oder ist es vielmehr das inoffizielle Eingeständnis, dass die letzten beiden Alben nicht so recht zünden wollten? Wir haben uns die Platte angehört – hier unsere Review.
Short Facts
- 14 Tracks
- produced by Hitnapperz, Jokobietz & Paul Blaze
- Features: Al-Gear, King Orgasmus One & Olexesh
- Label: No Limits
- Releasedate: 24. Februar 2017
Intro
Die Berliner Schnauze ist zurück! „Zahltag“ bedeutet im Klartext: Unterhaltsame Abrechnung mit alles und jedem. Wer damals den ersten Teil voller Faszination gepumpt hat, der wird verstehen, welches Gefühl bei der Ankündigung von „2ahltag: Riot“ in mir ausgelöst hat. Auf die Frage nach Deutschrap’s kompromisslostesten Album antworte ich seit 2009 mit „Zahltag“. Bass Sultan Hengzt und sein einstiger Produzent Djorkaeff hatten es seinerzeit geschafft, auf 15 Tracks eine ‚Scheiß-auf-euch-alle-Stimmung‘ zu erzeugen, welche die Attitüde des Rappers perfekt wiederspiegelt.
Das mittlerweile indizierte Album war wütend, witzig und unterhaltsam, aber vor allem musikalisch – soweit es der Straßen-/Gangsterrap eben zulässt. Noch heute laufen mindestens fünf von 15 Tracks bei mir rauf und runter. Songtitel wie „Ex-Guter Junge“, „Zeiger drehen“ (hier das Video) und „Fick die Welt“ halten genau das, was sie versprechen. Die Featureparts von Godsilla, Amar, Sido, JokA und King Orgasmus One vervollständigen den Gesamteindruck, wobei Letzterer mit seinem Part die humorvolle Provokation auf die Spitze treibt.
Erinnern wir uns aber auch kurz an seine letzten beiden Alben unter dem Pseudonym B.S.H., die gemeinsam mit Serk entstanden sind. „Endlich erwachsen“ und „Musik wegen Weibaz“ hatten sicherlich ihre Qualitäten und auch hier hörte man die Musikalität und den speziellen Humor des Rappers heraus, waren in ihrem Gesamteindruck aber leider mittelprächtige Werke. Der musikalische Stilwechsel kam für viele Fans wohl zu plötzlich, wirkte zu berechnend und klang abgesehen davon größtenteils auch eher fad und weitaus austauschbarer als die vorherigen Alben, die zum Teil auch schon einem kommerziellen Touch besaßen.
Doch kommen wir nun zu „2ahltag: Riot“, dem neuen Album von Bass Sultan Hengzt. Wir versuchen dabei fragwürdigen Scharmützel mit Chakuza, Four Music und auch Jennifer Rostock mal bewußt außen vor zu lassen…
Review
Das Intro des 15 Track starken Albums lässt es zunächst etwas ruhiger angehen, wobei die Raps bereits breitstreuende Schüsse in Richtung deiner Mutter und deiner (Ex-)Freundin abfeuern, erstes Namedropping betreiben (Raptile, Gina Lisa Lohfink, splash!, Index) und auch auf seine ruppigen Anfangsjahre querverweisen: ‚Carlo Colucci, BMW, TMR, Berlin bleibt hart, Gang-G-G-Gang-G-Gang‘. So und nicht anders will man Bass Sultan Hengzt hören! „2ahltag: Riot“ beweist direkt, dass der Berliner zweifelsohne zur musikalischeren Generation des Berliner Gangsterrap der 90er Jahre gehört und darüber hinaus über eine gut hörbare Stimme und Aussprache verfügt.
Gerade sein richtiges Gespür dafür, was einen guten Beat und eine einprägsame Hook ausmachen, wird hier wieder mehr als deutlich. 26x „Yeah“ („Donald Trump“), Waffengeräusche („Drive-By auf Veganer-Fotzen“), Auto-Tune („Stute“ Remix) und Frage und Antwort-Spiele („Riot“) wurden bewusst und an den richtigen Stellen eingesetzt. Auch die Lines bringen wieder eine gute Portion des typischen Hengzt-Humors mit sich und lassen einen mit einer entsprechenden ‚Ihr-könnt-mir-gar-nix-Haltung‘ die Straße entlangschlendern.
Doch anstatt die Hände trotzig in den Taschen zu vergaben, pöbelt man einfach jeden an, weil man weiß, dass einem nichts passiert, da man Narrenfreiheit besitzt. Diese spezielle Art von Humor und Ernst in einem, die auf Albumlänge gestreckt wird, wirkt an mancherlei Stellen allerdings etwas zu plump. Gerade hier erwartet man ein gewisses Maß an Kreativität, Wortwitz und Authentizität. Wenn man die Hook von „Feiertag“ als Referenz an „Chillin’ Killin’“ von Westberlin Maskulin versteht, dann irritieren einen die Seitenhiebe an zahlreiche YouTuber wie Die Lochis, Sami Slimani, Bibis Beauty Palace und Melina Sophie doch ein wenig.
Die einstigen wahren Feinbilder wie Bushido und Saad wurden gegen scheinbare Platzhalter ausgetauscht, die gerade in der Öffentlichkeit stehen, was den authentischen Unterboden und somit auch den Unterhaltungswert eines ‚Hengzt‘-Albums dann doch schmälert. Nun mag man es menschlich begrüßen, dass es wohl keine echten Streitigkeiten mehr gibt. Musikalisch und künstlerisch bedauert man es trotzdem.
Die Beats der Platte zeichnen sich durch die krachenden Drums und harten Basslines aus und wurden sehr präsent arrangiert. Das synthetische Soundbild bewegt sich hauptsächlich in einem aggressiven aber unverkrampften Bereich. Mit dem humorvollen „Feiertag“ (Video) und dem kompromisslosen „Statements“ sowie „Zweimal im Leben“ schleicht sich auch mal ein Ausreißer ein, der gerade aufgrund des Überraschungseffekts und dem pointierten Einsatz positiv herausstechen. Gerade „Zweimal im Leben“ ist der Beweis dafür, dass sich hinter dem witzigen Konzept „Zahltag“ auch ernste Seiten befinden:
„Man sieht sich immer zweimal im Leben / Und an dem Tag wenn wir uns begegnen / Werden unsere Karten neu gemischt / Ich sorg’ dafür, dass du meinen Namen nie vergisst“
Fazit
Fortsetzungen genießen das Privileg, alte Fans noch einmal in die Zeit zurückzuversetzen und neue Fans zu amüsieren. So auch „2ahltag: Riot“. Wir, die wir damals vor acht Jahren die Beleidigungen auf dem Erstlingswerk lachend mitgerappt haben, sind nun etwas älter und freilich nicht mehr so enthusiastisch bei der Sache wie damals. Unter den damaligen Umständen und in der jeweiligen Lebenssituation hätte dieser Nachfolger wohl den gleichen Input wie sein Vorgänger gehabt, was für die Qualität spricht. Die Haltung, die Beats und die Herangehensweise passen – kleine Abzüge gibt es lediglich in der B-Note – B wie berechnend.
Stream
Cover + Tracklist
01. Intro
02. Tipp: Riot
03. Donald Trump
04. Tipp: Drive-By auf Veganer-Fotzen
05. Ich bin faul
06. Stute (Remix) feat. King Orgasmus One
07. Tipp: Feiertag
08. Postleitzahl
09. Zahltag feat. Olexesh
10. Warum bist du so ein Hurensohn
11. Aggression
12. Zweimal im Leben
13. Statements
14. AFD (Abschiebungs Anthem)
Der Beitrag Bass Sultan Hengzt – „2ahltag: Riot“ (Review + Stream) erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.