In der Artist Feature Serie stellen wir euch regelmäßig interessante Musik-Künstler vor. Grundlage des “Artist Feature” sind um die 15 Fragen, von denen einige immer gleich und einige individuell sind.
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DJ Krush meldete sich Ende des letzten Jahres nach einer über 11-jährigen Schaffenspause mit seinem neuen Album „Butterfly Effect“ zurück (wir berichteten). Aktuell befindet er sich auf großer Welt-Tournee, zu der am 12. März auch ein Konzert im Hamburger Mojo Club gehörte. Wir bekamen die Möglichkeit, den aus Tokio stammenden DJ am Rande dieses Gigs zu einem Interview zu treffen.
Da DJ Krush nur japanisch spricht, mußten wir uns im Vorfeld um einen Dolmetscher kümmern, den wir Dank der Hilfe eines Freundes aber schnell finden konnten. Nachfolgend findet ihr nun die deutsche Übersetzung des Interviews, in der wir mit Krush über die Anfänge von Hip-Hop in Japan, seine ersten Turntables, seine persönliche Zukunft und vieles mehr sprachen.
Vielen Dank, das Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben. Das wievielte Mal sind Sie eigentlich in Hamburg zu Gast?
Ich war schon ein paar Mal in Hamburg zu Besuch. Das letzte Mal liegt allerdings schon etwas zurück, von daher freue ich mich sehr auf den heutigen Abend.
Wir beginnen unsere Interviews traditionell mit einem kulinarischen Teil: Welches Lokal würden Sie jemandem empfehlen, der zum ersten Mal in Tokio zu Gast ist?
(überlegt und lacht) Das ist eine schwierige Frage, denn in Tokio gibt es natürlich eine extrem große Auswahl an Restaurants. Ich würde stattdessen lieber die schönen japanischen Gerichte vorstellen, die ich besonders gerne mag: Sushi und auch Supper (besonders dünne Nudeln). Das ist etwas ganz einfaches, kostet nicht viel Geld und macht großen Spaß.
Sie stammen aus der Umgebung von Tokio. Wie und wann sind sie dort das erste mal mit der Hip-Hop Kultur in Berührung gekommen?
Ich erinnere mich noch genau daran. Es war das Jahr 1985, ich befand mich zu dem Zeitpunkt gerade im Stadtteil Shinjuku, im Westen von Tokio. In einem Kino habe ich mir den Film „Wild Style“ angeschaut. Für mich war der Film im ersten Moment ein regelrechter Kulturschock, da ich so etwas überhaupt noch nie gesehen hatte – die wilden parties und all das. Als ich sah, wie einer der DJs mit seinen Platten scratchte, wußte ich sofort, das ich das auch machen möchte.
Wie sah die japanische Hip-Hop Szene damals aus? Gab es bereits etablierte japanische Künstler? Und wie sind Sie zum Auflegen gekommen?
Es gab damals noch überhaupt niemanden. Die gesamte Szene war noch neu und unbekannt. Ich erinnere mich noch daran, das ich nach dem Film in einen Musikladen gegangen bin, um mir zwei Turntables und einen Mixer zu kaufen. Der Verkäufer war zunächst ganz perplex und meinte zu mir, das einer doch eigentlich auch reichen würde, aber ich wollte natürlich zwei haben. Er konnte ja nicht wissen, was ich mit den Turntables vorhatte. (lacht)
Haben Sie in Tokio eine Art Lieblings-Plattenladen, den Sie uns verraten möchten?
Es gibt in Tokio aktuell sehr wenige Geschäfte, die analoge Plattenspieler oder Vinyls verkaufen. Viele der Ladenbesitzer haben bereits vor Jahren komplett auf die digitalen Technik umgestellt. Allerdings ist es in letzter Zeit wieder etwas besser geworden und die Nachfrage steigt. Einige Geschäfte haben nun auch wieder analoge Technik im Angebot. Diesen Wandel kann ich auch bei meinen Kindern beobachten, die aus reiner Neugier einmal versucht haben, eine CD mit einem Plattenspieler abzuspielen. (lacht)
Was denken eigentlich Ihre Kinder darüber, das Sie mit über 50 Jahren noch so einen „verrückten Beruf“ ausüben?
Ich habe zwei Töchter – die älteste ist bereits über 30 – und beide kommen gut damit klar, das ich als DJ arbeite. Meine älteste Tochter hatte in ihrer Jugend sogar selbst viele Freunde, die als DJ gearbeitet haben. Ich habe ihr dann immer gesagt: „Bitte, bitte suche dir keinen DJ als Mann. Man verdient damit kaum Geld, ist immer unterwegs und muss sich sehr abmühen.“ (lacht)
DJ Krush live @ Dublin (2016)
2015 haben Sie nach einer rund 11-jährigen Pause ihr neues Album „Butterfly Effect“ veröffentlicht. War dies eine bewusst gewählte Pause um sich auf andere Dinge zu konzentrieren?
Das ist genau der Zeitraum, in dem in Tokio der Wandel von analog auf digital stattfand. Ich war in den Jahren natürlich nicht untätig und habe weiter produziert, allerdings war es für mich nicht mehr so einfach die Musik auch zu veröffentlichen. Es gab zwar einige Möglichkeiten meine Musik weiter auf Vinyl herauszubringen, aber irgendwie hat es am Ende dann doch nicht gepasst.
Ich war in den elf Jahren daher vor allen Dingen auf Tour und habe viele Länder besucht. Ich bekam die Möglichkeit, unter anderem in Europa, USA, China, Korea, Indonesien, Hongkong und Taiwan aufzulegen. 2015 hat sich dann eine neue Möglichkeit ergeben und so konnte ich dann mein neues Album „Butterfly Effect“ veröffentlichen.
Können Sie uns von einem Tour-Erlebnis berichten, das Ihnen in diesen Jahren besonders in Erinnerung geblieben ist?
Es gab eine Zeit, da bin ich wirklich jeden Tag woanders hingereist. Ich war permanent im Flugzeug, ohne wahrzunehmen, wie schön die Gegenden eigentlich sind, in denen ich aufgelegt habe. In meinem Alltag habe ich daher vor allen Dingen die Bühne, das Hotel und das Flugzeug gesehen. Da blieb kaum Zeit für anderes.
Es gibt sicher einige DJs, die schon Kinder haben, aber ganz sicher nur sehr wenige mit Enkelkindern. Demnächst wird wohl eine Krankenschwester neben meinem DJ-Pult stehen müßen, während ich an einem Tropf angeschlossen bin.
Inwieweit unterscheidet sich ein japanisches Publikum eigentlich von einem europäischen oder amerikanischen?
(überlegt lange) Ich denke, das sich das Publikum nicht großartig unterscheidet. Die internationalen Fans sind sich wahrscheinlich ähnlicher, als es viele denken. Als Musiker brauchst du keinen Reisepass und durch das Internet ist es für Fans heute viel einfacher geworden auf schnellem Wege neue Künstler zu entdecken. Das war vor einigen Jahren noch anders und schwieriger. Da wußtest du, das von bestimmten Künstlern einfach gute Musik kommt und von manchen eben nicht. Durch das Internet ist die Auwahl heute vielfältiger geworden.
Können Sie uns einige japanische Emcees nennen, die in der Szene aktuell großes Ansehen genießen? Gab es schon einmal Berührungspunkte?
Es gibt einige recht erfolgreiche Künstler in Japan, die ich allerdings nicht so interessant finde. Mir sind unbekanntere Underground Acts lieber, die auch mal eine etwas roughere Gangart an den Tag legen. Allerdings gab es noch keine Berührungspunkte, ich mache eher mein eigenes Ding.
Sie haben in der Vergangenheit bereits mit internationalen Künstlern wie Guru, CL Smooth, The Roots und auch DJ Shadow zusammengearbeitet. Wie haben Sie die Zeit wahrgenommen?
Die Zusammenarbeit war immer sehr schön. Darüber hinaus habe ich auch viel mit Künstlern aus Afrika zusammengearbeitet. Als ich von Guru’s Tod erfahren habe, war ich sehr traurig.
Wie sehen Sie Ihre Zukunft als Künstler?
Ich bin jetzt 52 Jahre alt und hätte nicht gedacht, das ich noch so lange als DJ arbeiten kann. Es gibt sicher einige DJs, die schon Kinder haben, aber ganz sicher nur sehr wenige mit Enkelkindern. Demnächst wird wohl eine Krankenschwester neben meinem DJ-Pult stehen müßen, während ich an einem Tropf angeschlossen bin. (lacht)
Ich erinnere mich noch daran, das ich nach dem Film in einen Musikladen gegangen bin, um mir zwei Turntables und einen Mixer zu kaufen. Der Verkäufer war zunächst ganz perplex und meinte zu mir, das einer doch eigentlich auch reichen würde, aber ich wollte natürlich zwei haben.
Wie schaffen Sie es, weiterhin den Geschmack der jungen Leute zu treffen?
Ich liebe die Musik. Für mich gibt es kein Ende. Ich habe eine Treppe vor mir, die niemals aufhört – es gibt einfach keine Grenze. (deutet über seinem Kopf eine Treppe an, die immer weiter geht) Ich höre mir alles an und bin glücklich, wenn ich daraus wieder etwas neues machen kann.
Wenn Sie heute einmal zurückblicken – mit welchen Gedanken verbinden Sie heute Ihre ersten Jahre als DJ?
Nach der Schule wußte ich zunächst nicht, wie es für mich weitergehen sollte. Wenn ich „Wild Style“ damals nicht gesehen hätte – ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre. Das Leben, das ich dann wahrscheinlich geführt hätte, mag ich mir kaum vorstellen.
Handwerkliche oder künstlerische Tätigkeiten, bei denen ich meine eigenen Hände einsetzen kann, lagen mir schon immer mehr als rein monotone Abläufe, bei denen man ausschließlich seinen Kopf einsetzen muss. Das war schon in der Schule so, wo ich oft Dinge gemalt oder gebastelt habe. Von daher kam der Film genau zum richtigen Zeitpunkt.
Inwieweit hat sich Ihr Stil in den letzten 30 Jahren verändert?
Ich arbeite von der Herangehensweise noch genau so wie vor 30 Jahren. Allerdings merke ich bei manchen Dingen natürlich schon, das ich bereits über 50 bin. Der Körper macht nicht mehr so mit. Zum Glück habe ich ab morgen mal 3 Tage frei, ehe es zum nächsten Gig geht. (lacht)
DJ Krush
„Butterfly Effect“ (2015)
01. Probability
02. Strange Light (Feat. Free the Robots)
03. Coruscation
04. My Light (Feat. Yasmine Hamdan)
05. Nostalgia (Feat. Takashi Niigaki)
06. Missing Link
07. Song of the Haze
08. Sbayi One (Feat. Crosby)
09. Everything and Nothing (Feat. Divine Styler)
10. Future Correction
11. Living in the Future (Feat. tha BOSS)
Interviewtermin am 12. März im Mojo Club (Hamburg)
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Mit Dank an Ursula, Wolfgang und Swann
Der Beitrag Artist Feature #148: DJ Krush erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.