In der Kategorie “5 Fragen zum Album” stellen wir euch ausgewählte Musik-Künstler und ihre bald erscheinenden oder vor kurzem veröffentlichten Alben vor. Grundlage sind 5 kurze und knackige Fragen.
Die einen kennen Johann-Christof Laubisch als Schauspieler aus verschiedenen Kurzfilmen und Theaterstücken. Andere kennen den 29-jährigen Berliner als Rapper Le First. Nachdem er bis vor Kurzem zum ersten Mal als Festengagement am Mittelsächsischen Theater tätig war, gab er nun bekannt, dass Ende Februar das lang angekündigte Kollabo-Album „Foreigner“ mit Kumpel Knightstalker erscheinen wird. Zunächst ist es nicht die spektakulärste News, wenn zwei Freunde ein Buddy-Projekt starten. Allerdings spezialisiert sich Knightstalker auf Englisch, während Le First sich daran macht, den Rap auf Französisch mitzugestalten. Doch wissen die Beiden dennoch selbst gut genug, wo ihre Wurzeln sind und haben nötige Prise Berlin von Features über Songkonzepte bis zum Mastering nicht vergessen.
Album Facts
- 12 Tracks
- Features: Damion Davis, MeStOne, Phreaky Flave, Blend, Furious, Mischkonsum, Fonz, Demskut, Somis, Vecz, Yaswa und Rhob
- Label: Phonector
- Releasedate: 26. Februar 2016
- Vertriebsweg: physisch und digital
Interview
Bereits Mitte 2013 wurde euer Album, mit Gästen aus Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Spanien und Luxemburg, für Ende 2013 angekündigt. Nun haben wir Anfang 2015 und aus dem Europaprojekt wurde „nur“ ein dreisprachiges Album. Was waren die Gründe für die zeitliche Verschiebung und „Umstrukturierung“ des Albums?
Knightstalker: Es kam einfach vieles zusammen: Bei uns beiden hat sich in den Bereichen Bildungsabschlüsse und Arbeit in den letzten Jahren viel getan, wodurch wir leider nicht so schnell vorankamen, wie wir das eigentlich geplant hatten. Am Ende des Tages muss man eben daran denken den Kühlschrank bis zum Ende des Monats halbwegs voll zu behalten und kann sich als Independent-Künstler dann nicht immer so um die Musik kümmern, wie man das am liebsten machen würde. Das Album ist aber dennoch sehr vielschichtig geworden und wenn man die Zusammensetzung der Beteiligten betrachtet, sind da immer noch Produzenten aus Luxemburg, der Schweiz, Frankreich und Deutschland am Start. Einige Tracks sind am Ende auch einfach rausgefallen, da wir das Album so knackig und konstant wie möglich halten wollten. Ich denke dies ist uns mit der endgültigen Trackauswahl auch gut gelungen.
Le First: Im Grunde ist es auch ein solches Projekt geblieben, nur dezenter. Wir haben Produzenten aus Spanien, Luxemburg, Deutschland und der Schweiz drauf. Die Featuregäste kommen am Ende zwar nur aus Deutschland, aber wir haben auch insgesamt ca. 25 Tracks aufgenommen, aus denen wir die für uns Besten ausgewählt haben und da haben die Tracks mit den Franzosen leider nicht gepasst. Aber es gibt sie noch und sie werden sicherlich auch noch an die Öffentlichkeit kommen.
Wir haben mit den Aufnahmen relativ zeitnah zum Release meines Debütalbums „Le Produit de Berlin“ angefangen – also 2012, wir hatten nach der „Lost in Translation“-EP Bock auf das Projekt, waren sehr fleißig und hatten auch schon während meiner Record-Release Party (Graffitibox Summer Jam 2012) den Titelsong vom Album performt.
Dann kamen viele Sachen dazwischen: Ich steckte mitten im Schauspielstudium und hatte vielen privaten Stress um die Ohren, an dieser Stelle liebe Grüße an meinen fast 4-jährigen Neffen! Ich wusste, trotz der für mich sehr guten Resonanz vom Debütalbum, dass ich erst mal meine Schauspielnummer durchziehen musste um, wie es ja nun ist, jetzt davon leben kann.
Und abgesehen von der örtlichen Distanz, die uns trennt, gingen somit auch viele organisatorische Probleme einher; wenn wir beiden frei hatten, haben wir uns getroffen, Videos gedreht, übers Album geredet. Man darf aber am Ende des Tages nicht vergessen, dass wir alles selber machen und dass das Team um uns herum alles Kumpels sind. So gab es Probleme mit den Aufnahmen in dem einen Studio, dann beim Abmischen usw. Die Jungs, die uns neben den Featuregästen wirklich von Anfang bis zum Ende unterstützt haben waren Christopher Purbst und Rhobbin (Videos und Fotos), Benjamin Gebauer (Design und Konzept) und MeStOne. Dafür sind wir sehr dankbar, weil das heute wohl nicht mehr allzu selbstverständlich ist.
Anhand eurer Musik könnte man meinen, dass ihr mit Berlin eine vertraute und euch bekannte Umgebung gefunden habt. Wieso dann doch „Foreigners“ – welcher Grundgedanke steckt hinter dem Titel?
Le First: Ich gehe als weltoffener Mensch durch die Welt; wenn ich zum Beispiel in ein Land reise, in dem ich die Sprache nicht spreche, dann kloppe ich mir zumindest die Basics wie „Guten Tag“, „Danke“, „Bitte“ etc. rauf, um den Leuten dort zu zeigen, dass ich Ihre Sprache und Kultur respektiere, vor allem als Gast.
Im Grunde sind Knightstalker und ich Deutsch; hier aufgewachsen, hier geboren, trotzdem kommunizieren wir in unsere Musik in vermeidlichen „Fremdsprachen“ , denn sie sind ein Teil von uns, wir sind damit auch aufgewachsen- und die HipHop Szene bzw. vor allem die HipHop Medien geben einen Fick drauf. Im Grunde sind wir für die Fremde und da liegt auch da die ganze Problematik mit der Flüchtlingsnummer in vielen Schichten der Gesellschaft, der Existenz von Organisationen wie Pediga – die Essenz ist immer Angst vor dem Fremden.
Ich informiere mich recht regelmäßig über Kumpels, Websites usw. über die HipHop Szene in „anderssprachigen“ Ländern. Selbst, wenn ich zum Urlaub dort bin, bleibe ich unbefriedigt, bis ich nicht eine HipHop Scheibe mit der jeweiligen Ländersprache mit nach Hause nehme. Die HipHop Szene, die ich kennen gelernt habe, hatte vor allem einen Grundgedanken: Scheiß drauf, wer du bist und wo du herkommst – wichtig ist, was du kannst! So war es auch damals in unserer Graffiti-Crew. Wir waren Algerier, Deutsche, Türken, Afrikaner, aber da hat Herkunft, Religion und Kultur keine Rolle gespielt, weil uns eins zusammenschweißte: HipHop.
Heutzutage ist es, meiner Meinung, nach traurig, dass wir und damit meine ich alle fremdsprachlichen Rapper in Deutschland, erstens fast komplett wegignoriert werden, sondern dass auch keiner bereit ist, in den Dialog zu treten. Damit meine ich nicht nur die HipHop Landschaft, sondern die Gesellschaft im Allgemeinen.
Knightstalker: Also ich bin im Süden Berlins geboren und aufgewachsen. Mein Freundeskreis war von Anfang an mit Freunden aus der ganzen Welt durchmischt und in Kombination mit dem Aufwachsen in Neukölln bekommt man da schnell ein Gefühl wie es ist sich fremd zu fühlen. Durch das Rappen in einer Fremdsprache hat sich das Ganze dann auch auf die Musik übertragen, da man als (HipHop)-Künstler doch sehr anders in seiner Heimatstadt bzw. in seinem Heimatland wahrgenommen wird, als wenn man auf Deutsch rappen würde. Da war beide von Anfang an dieses „Problem“ hatten, ergab sich dieser Titel für uns fast wie von selbst.
Anhand der Tracktitel könnte man denken, dass das Album sehr emotionsgeladen wird. Auf der einen Seite „wütend“ („La Résistance“, „La Police“) und auf der anderen depressiv („Lueur d’espoir“, „Dans l’ombre de la nuit“, „Échec“). Stimmt diese Annahme und wenn ja, welche Seite überwiegt? Welche Gefühlswelt vermittelt das Album?
Knightstalker: Das stimmt schon. Wir haben uns zum Einen als Ziel gesetzt, das Album in jeder Hinsicht möglichst abwechslungsreich zu gestalten, die Dinge aber auch einfach mal auf uns zukommen zu lassen. Dadurch ergab sich dann auch diese Vielschichtigkeit der Stimmungslage auf die gesamte Albumlänge gesehen. Ich würde jetzt zwar nicht sagen, dass wir ein total düsteres und schweres Album aufgenommen haben, aber die nachdenkliche und sozialpolitische Seite überwiegt schon.
Le First: Wir haben ca. 20- 25 Songs über die Jahre aufgenommen von denen wir am Ende die, die am besten in Konzept gepasst haben, genommen. Düster ist das Album generell, selbst der popig-angehauchte Song „Impressions“.
Das alte Ding: Mir persönlich gibt es mehr, emotionale und ehrliche Songs zu machen als Image- oder Entertainment-Rap. Man schreibt sich die Sachen von der Seele und egal, ob sich das nun krass verkauft oder nicht, wenn man sich die Songs in 10-20 Jahren nochmal anhört, dann erinnert man sich, wie man damals so drauf war.
Bereits in der Vergangenheit konnte man sehen, dass euch Freundschaft bei der Auswahl eurer Feature-Gäste ziemlich wichtig ist. Wieso das? Gab es nie die Überlegung „namenhaftere“ Künstler zu fragen?
Knightstalker: Wir hatten uns schon bei Beginn der ersten Aufnahmen eigentlich darauf geachtet diesmal nur mit Leuten zusammen zu arbeiten, die wir entweder schon sehr lange kennen und/oder die aus unserem engeren Umfeld kommen. Und Bekanntheitsgrad hin oder her, ich halte Greckoe und Damion Davis für zwei der besten deutschen MCs und freue mich darüber, dass wir u.a. zwei so hochqualitative Gäste auf dem Album dabei haben.
Le First: Die Überlegung gab es schon, aber am Ende ist es mir wichtiger, dass man sowohl musikalisch als auch privat hinter den Jungs und Mädels, die uns Feature-technisch unterstützen, steht. Wir haben beide den Vorteil, dass wir mit unserer Musik kein Geld verdienen müssen; wir sind beide berufstätig und haben somit die Freiheit musikalisch das zu tun, worauf wir Bock haben und wo wir auch hinter stehen.
Von meiner Seite aus, habe ich mir für dieses Album endlich den großen Traum erfüllt mit Damion Davis ein Feature aufzunehmen. Es war auch ein Song mit Mach One und Akte One geplant, was zeittechnisch leider nicht funktioniert hat.
Was die Zusammenarbeit mit „namenhafteren“ Künstlern angeht, wird die Zukunft zeigen. Ich für meinen Teil, lerne die Leute gerne vorher kennen, bevor man dann zusammenarbeitet. Und die müssen ja dann auch Bock haben mit uns Sprachfetischisten zusammen zu arbeiten. (grinst)
Gab es für euch ein bestimmtes Ziel, dass ihr der Wahl der Künstler auf „Le produit de Berlin (Remix)“ von vornherein erreichen wolltet?
Knightstalker: Auch bei dem Song war uns wieder wichtig, dass die Leute möglichst aus unserem gemeinsamen Umfeld kommen, natürlich auch gut am Mic sind, und eine gewisse Mischung an Sprachen zusammen zu bekommen, um eben diese kulturelle Vielschichtigkeit Berlins hervorzuheben. Der Track spiegelt zum einen unser persönliches Aufwachsen wieder als auch den Alltag in Berlin, sowie die Zusammensetzung der lokalen Rap-Szene.
Le First: Kumpelnummer! Alle Jungs auf dem Track sind gemeinsame Kumpels, haben einen begleitet, auch wenn sie mehr oder weniger musikalisch aktiv waren und um den Berlin-Faktor ins Spiel zu bringen, sind definitiv underrated. Ich mag die „Underdogs“. Und es war wichtig zu zeigen, dass es allein schon in Berlin ein Haufen Rapper gibt, die in einer Fremdsprache rappen.
Habt ihr über eure langjährige Zusammenarbeit Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Entstehung eines bilingualen Tracks/ Albums festgestellt?
Knightstalker: Nicht wirklich, außer dass ich mir leider das ein oder andere Mal von Le First beim Verstehen seiner Texte helfen lassen muss. Sonst gibt es keinerlei Unterschiede zu einer gleichsprachigen Zusammenarbeit. Im Endeffekt muss man immer mehrere Interessen und Geschmäcker unter einen Hut bringen. Da das bei uns beiden schon immer gut geklappt hat, war das auch bei dem Album dann überhaupt kein Problem.
Le First: Eigentlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede – vor allem sind wir durch die gemeinsame Arbeit Freunde geworden. Als wir 2010 die „Lost in Translation EP“ rausgebracht haben, waren wir „nur“ Kollegen, die sich gut verstehen.
Ansonsten waren wir uns fast immer einig über Beat-Auswahl, Konzepte, Featuregäste, da wir auch szeneintern in den gleichen Kreisen verkehren.
Was macht für euch den Reiz eines solchen Projektes aus?
Knightstalker: Abgesehen davon, dass wir einfach ein wirklich gutes HipHop Album auf die Beine gestellt haben, ist das Album durch das Zusammentreffen von Unmengen verschiedener Einflüsse, sei es aus dem Leben an sich oder aus dem musikalischen Bereich, eine Art Spiegelbild unserer Gesellschaft, wie ich es bisher aus dem deutschen Raum noch nicht mitbekommen habe. Die Art und Weise wie wir bestimmte Themen angehen und auch wie wir mit unserer eigenen Rolle in- und außerhalb der hiesigen HipHop Szene umgehen, ist etwas Neues und macht das Album für jeden interessant, der sich gerne und offen mit guter Musik auseinandersetzt.
Le First: Ich bin ungern jemand, der über Kollegen in der Szene lästern, gerade, weil ich auch viele Sachen, die in den letzten Jahren Deutschrap-technisch rausgekommen sind, unfassbar gut fand. Aber: Dieses Projekt ist wirklich einzigartig und gab es noch nie zuvor und sollte mal ein bisschen zum Nachdenken anregen. Welche Künstler werden künstlich gepusht und welche verschwinden in der Versenkung? Welche machen gerade wirklich neue Musik und welche springen nur auf einen Zug auf, der gerade im Trend ist? Abgesehen davon: Ich kann auch, neben meinem Beruf, euch jedes Jahr ein Album bringen, welche sich am Ende des Tages wenig voneinander unterscheiden.
Album Cover
Tracklist
01. La Résistance
02. Foreigners
03. Lueur d’espoir
04. Invisible Trap
05. Global Players
06. Dans l’ombre de la nuit (feat. Damion Davis & MeStOne)
07. Impressions (feat. Souleez)
08. Échec (Misserfolg)
09. La Police (feat. Phreaky Flave & Blend)
10. Leviathan
11. Eine Welt (feat. Greckoe)
12. Le produit de Berlin (Remix) (feat. Furious, Mischkonsum, Fonz, Demskut, Somis, Vecz, Yaswa, MeStOne & Rhobbin)
(c) Alle Fotos: Christopher Purbst
Der Beitrag 5 Fragen zum Album: Knightstalker & Le First – „Foreigners“ erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.