Der Begriff „Diaspora“ bedeutet so viel wie „Verstreutheit“. Er wird bei religiösen oder ethnischen Gruppen benutzt, die ihre ursprüngliche Heimat verlassen haben und unter Andersdenkenden über weite Teile der Welt verteilt leben.
Einleitung
Und tatsächlich ist der Name Programm. Der Rapper mit angolanischen Wurzeln hat ausreichend eigene Geschichten zu erzählen und mehr als genug Talent, die in seinem persönlichen Stil aufs Tapet zu bringen. Mit Songs über Rassismus ist es weder leichte Kost, noch das Sommeralbum für Zwischendurch. „Diaspora 0.5“ ist vieles, aber vor allem ist es unbequem. Und doch hat es Camufingo geschafft, dass man wirklich gespannt zuhört, anstatt den Themen wie so oft aus dem Weg zu gehen. Aber wieso? Ganz einfach, der seit 2003 aktive emcee hat nicht nur ein Händchen für schöne Beats und passende Reime, sondern vor allem für das Querdenken.
Track by Track
Nach einer Handvoll erschreckend dummen Aussagen von einigen unserer Mitbürger beginnt das Album mit dem Track „Eins“. Schon hier blitzen unter dem selbstironischen Gewand ernsthafte Inhalte durch. Unverkrampfter als das 0815-Raplied über ein solches Thema. Als Opener einen Track zu nehmen, der dir die Message durch die Blume vermittelt, ist genau der richtige Schritt, der mich als Hörer fesselt und aufmerksam bei der Sache bleiben lässt. Weiter geht’s es mit „Braun“, der den Fehler bei sich selbst sucht und Reflektion von beiden „Seiten“ fordert. Durch das Aufgreifen von den typischen Klischees über dunkelhäutige wie z.B. ihre Skills beim Basketball bleibt die lockere Stimmung weiterhin bestehen und ernste Aussagen wie „Minderheitenprinzip – Jung, Braun, Ausgegrenzt / Zusammen im Dreck, wenn man sich auch nicht kennt“ oder „Wir haben uns selber auf die Haut beschränkt“, wirken gleich weniger wie ein festgefahrenes Statement.
Auch die Liebesbekundung an das andere Geschlecht „Du bist“ schafft es gänzlich ohne Kitsch auszukommen, indem Camufingo weniger die Optik, sondern vielmehr das Mysterium einer dunkelhäutigen Frau beschreibt. Ein Thema, das auch mit Rassismus meistens einhergeht ist die falsche Doppelmoral. Zwar behaupten viele, dass für sie generell alle Menschen gleich viel wert sind, aber bewerten Menschen trotzdem nach ihrer Herkunft. Genau diesen Widerspruch greift er in „Wir und die andern“ auf. Hier wird die Atmosphäre zum ersten Mal etwas ernster und Lines wie „Denn Multi-Kulti gibt nur der Lüge einen Namen“ sitzen.
Um die andere Seite dieser Rassentrennung, die aber nicht weniger schlimm ist, geht es auf dem Track mit dem passenden Titel „Zebra“. „Sie glauben, dass sie Toleranzvertreter sind, wenn sie sagen, dass ich ja kein echter ‚Neger’ bin“ – die ersten beiden Zeilen seiner zweiten Strophe bringen es hier auf den Punkt und liefern wohl einen Querverweis auf das „0.5“ im Release-Titel. Gleichermaßen ernst geht es auf „Verlass Mich Jetzt“ zu und gibt etwas über das Innerste von Camufingo und seine Zerrissenheit zwischen Realität und Wunschvorstellung preis. Für mich fällt dieser Track etwas aus dem Rahmen, da er nicht nur den bisherigen thematischen Faden nicht beibehält, sondern ich zum ersten Mal auch das Gefühl, das ich diesen Tune irgendwo schon einmal gehört habe. Wer weiß, vielleicht würde ich den Track in einem anderen Zusammenhang besser finden.
Doch all diese lyrische Herangehensweise an ein solch heißes Eisen würde nicht ohne die passenden Instrumentals funktionieren, für die ausschließlich Greg Dhilla und Camufingo selbst gesorgt haben. Hier fallen besonders die schrabbeligen und trockenen Drums auf, die von einem sich wechselnden Unterboden aus sample-basiert und live eingespielt zur Geltung kommen. Alles in allem hat man bei der Produktion auf den Charme von purem HipHop gesetzt. Sehr schön!
Ein Satz noch zu Camufingo’s handwerklichen Fähigkeiten am Mic: Solide. Bei einer solchen Dichte an tiefgründigen Themen, kann man beruhigt auf wilde Flows und und A-typischer Betonungen verzichten. So bleibt zu hoffen, dass Camufingo den hier eingeschlagene Weg weiterverfolgen wird.
Stream
DOWNLOAD: „Diaspora 0.5“ by Camufingo
Tracklist
01. Eins (Intro)
02. Eins (Tipp!)
03. Braun
04. Du Bist
05. Wir Und Die Andern (Tipp!)
06. Verlass Mich Jetzt
07. Zebra (Tipp!)
Der Beitrag Who’s On Next: Camufingo – „Diaspora 0.5“ (Review + Full Stream) erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.