Quantcast
Channel: Interviews – RAP-N-BLUES.com
Viewing all articles
Browse latest Browse all 466

Lakmann –„Aus dem Schoß der Psychose“ (Review + Full Album Stream)

$
0
0

Lakmann Presse 1

Altmeister Lakmann spricht zu uns aus dem „Aus dem Schoß der Psychose“. Ein kompletter Verlust des Realitätsbezugs oder bewusste Verrücktheit?

Einleitung

Eine Sache ist mir beim durchforsten verschiedener Musikforen immer wieder aufgefallen: Während die Meinung häufig in die Richtung geht, das man bei fast allen neuen Deutschrap Alben stets geteilter Meinung ist, freuen sich die meisten User fast ausnahmslos, wenn ein Release von Lakmann ansteht.

Der Rapper aus Witten geht mittlerweile auf die 40 zu, was man ihm allerdings kaum ansieht. So ist er nun schon seit gut 20 Jahren in der Szene präsent und den Hip-Hop Fans – egal aus welchem Subgenre und Alter – ein Begriff. Für die 30-jährigen ist er der Lakmann von Creutzfeld & Jakob mit Staccato-Flow, wohingegen die etwas jüngere Generation ihn als Teil von Witten Untouchable kennt.

Lakmann war bis vor kurzem wenig angetan davon seine Musik vermarkten zu müßen und eher darauf bedacht, sich einzig und allein dem künstlerischen Schaffen hinzugeben. Stellt sich die Frage, ob auf der aktuellen Deutschrap Erfolgswelle ohne ausschweifende Promophasen noch ein Plätzchen frei ist für „Rap-Urgesteine“ wie Lakmann und ob er das auch überhaupt will. „Aus dem Schoß der Psychose“, so der Titel des neuen Albums, ist eine offensichtliche Referenz an den Stuttgarter „Schoß der Kolchose“ und schlägt die Brücke zu all seinen bisherigen Alben: „2 Gramm gegen den Stress“, „2 Mann gegen den Rest“ und „It Was Witten“.

Album Facts

  • 20 Tracks | 64 Minuten
  • Features: Aphroe, Terence Chill, Mess & Kareem und Flipstar
  • Produced by Rooq, DJ Ara, Cap Kendricks, Brandino, Orangefield, DJ Ghanaian Stallion, S.R., Macloud & Joshimixu und Raz One
  • Released by Eartouch Ent.
  • Releasedate: 29. Januar 2016

Review

Während andere Alben mit einem nicht erwähnenswerten, standardisierten „Intro“ und darauffolgenden „Ich-bin-wieder-da“-Track beginnen und man erst zum Schluss „Danke“ sagt, macht es Lakmann genau umgekehrt.

Manchmal schlaue Füchse, manchmal Taugenichtse / Manchmal braucht man nur jemanden der daran glauben möchte / Der dir die Augen öffnet, eine kleine Lücke / Manche Momente überdauern ihre Augenblicke

Ruhig, brutal ehrlich und mit etwas Reue sagt der Rapper „Danke“. Was mir ebenfalls sofort angenehm aufgefallen ist: eine noch immer unverwechselbare Stimme und eine ordentliche Portion lyrisches Talent, das man vor lauter alter Ruhrpott-Schule fast vergessen hat. Ein positiv überraschender Opener, der mit drei Strophen und einer Bridge fast schier endlos wirkt.

Umso tiefer wir in das Album eintauchen desto deutlicher wird, dass der Titel nicht nur als eine Anspielung zu verstehen ist, sondern auch wirklich so gemeint ist. Lakmann’s musikalische Psychose schlägt sich daher auch sehr deutlich in seiner aktuellen Gefühlswelt nieder. Das ist auch verständlich, wenn man mit fast 40 Jahren zwischen Legendenstatus und Existenzängsten steht, wie HipHop.de schon passenderweise konstatiert hat. Nostalgisch verklärt blickt er auf vermeintlich bessere Tage zurück, erweist gleichzeitig den altgedienten emcees seinen Respekt und hebt noch ein wenig den weisen Zeigefinger, nur um wenig später den hungrigen Underdog von der Leine zu lassen. Dazu hat der Wittener aber auch Tracks im Gepäck, die sich irgendwo zwischen diesen Welten befinden. So finden sich auf den typischen Songs über Hip-Hop durchaus auch eine Vielzahl von reflektierenden und realitätsnahen Zeilen. „Ich Fühl Euch Nicht“ und „Wer Hats Euch Gesagt“ sind nur zwei Beispiele davon.

Hörenswerte Anspielpunkte dieser schizophrenen Psychose sind die Tracks „Kriegsberichte“, das etwas über den Hip-Hop Tellerrand blickt sowie „Fast Vergessen“ mit seinem kongenialen Partner Flipstar. Bei diesem Track habe ich mich auch direkt in das Jahr 2000 zurückversetzt gefühlt. So sind auch die wahren Hits „Tief versunken“, „Unschärferelation“ und „Exodus“ das Ergebnis dieser Zeit. Die tiefblickenden Zeilen in Kombination mit Lakmann’s Stimme lassen das Gesamtprodukt wie das von einem weinenden Clown wirken, was in keinster Weise negativ gemeint ist.

Dass er trotzdem in Sachen Ignoranz und großer Schnauze mit vielen anderen mithalten kann, beweist er auf „Missverständnisse“ mit satirisch-klingendem Piano-Instrumental, dem Outro „Untouchable 2016“ mit Mess und Kareem und „Klicks & Fame“. Gesättigt von der tatsächlichen Lebensrealität könnte man mit damit an einem sommerlichen Tag unbekümmert durch seine Hood schlendern.

Auch wenn er in einer der wenigen Interviews zum Album gesagt hat, dass er Trap-Beats und poppige Arrangements nicht möchte, besitzt „AdSdP“ einige zeitgemäße Akzente in sehr dosierter Form. Auf „Es gibt niemanden der singt in meiner Hood“ kommt beispielsweise ein wenig Dirty South Vibe auf und auch auf „Ich Hab Genug Zeit“ rattern die 808’s. Trotzdem ist und bleibt das Verschließen vor der Industrie ein weiteres Erkennungsmerkmal, das in den beiden Tracks kultiviert wird, in dem man auf eine Ohrwurmhook und Doubletime-Parts mit Ansage verzichtet. Auch die vielen Cuts sprechen da eine deutliche Sprache.

Fazit

„Aus dem Schoss der Psychose“ ist ein angenehmes und bodenständiges Album, dessen Höhepunkte wohl nichts für die große mediale Beachtung, sondern eher für Fans des rohen Rap ohne Effekthascherei ist. Die solide Produktion, die auf ein Minimum beschränkte Promo sowie die dazugehörige Album-Ankündigung, direkt von der heimischen Toilette aus, geben dem Album eine Woche nach Release schon den Charakter eines echten Geheimtipps. Zielte die Marschroute in den letzten Tagen von Deutschrap noch direkt Richtung Spitze der Charts, bekommt man von Lakmann einen ganz anderen Standpunkt präsentiert. Und eines ist ganz klar: Diese Platte ist nicht dafür geeignet, sensationsgeilen Teenagern zu gefallen.

Full Stream

Tracklist

01. Family First feat. Aphroe
02. Ich fühl euch nicht feat. Terence Chill
03. Klicks & Fame
04. Wer hats euch gesagt?
05. Dialog
06. Es gibt niemanden der singt in meiner Hood
07. Ich hab genug Zeit (Tipp!)
08. Ich mach alleine
09. Runter von meinem Thron
10. Tief versunken feat. Mess und Kareem
11. Unschärferelation
12. Kriegsberichte
13. Gegen die Zeit
14. X-Box
15. Fast vergessen feat. Flipstar (Tipp!)
16. Wer hat Herz
17. Exodus
18. DDM
19. Missverständnisse (Tipp!)
20. Untouchable 2016

Album Cover

Lakmann-Cover

Der Beitrag Lakmann – „Aus dem Schoß der Psychose“ (Review + Full Album Stream) erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 466

Trending Articles