„Compton: A Soundtrack by Dr. Dre“ – ein Release, auf das wir so lange gewartet haben, so dass vorab sogar Hardcore-Fans ihre Zweifel an dem Album bekamen. Aber es ist ein beeindruckendes Comeback, das Dre’s Stellung in der Musik-Geschichte zementiert.
Als Langzeit-Fan plagt einen das Gefühl, dass Dre’s beste Tage vorbei sind. Wann hat der 50-jährige das letzte Mal wirklich überzeugt? Ist er mit anderen Dingen zu sehr beschäftigt, um noch etwas ähnlich Phänomenales wie „The Chronic“ aus dem Jahr 1992 zu releasen? Hat Kendrick die Kollabo möglicherweise eher als Chance gesehen, um noch schnell mit einer Legende etwas aufzunehmen bevor dieser ganz in der Versenkung verschwindet?
Wenn du durch deine Beteiligung an einer Firma, die Kopfhörer herstellt, zum ersten Hip-Hop-Milliardär wirst, spielt es dann überhaupt eine Rolle, ob dein neues Album jemanden interessiert? Wenn du dazu noch deine Hände in vielen der meistverkauften Hip Hop-Alben mit im Spiel hattest, die Karrieren von Eminem und Snoop Doog mitgeebnet, Gangsta-Rap etabliert und den Blueprint für G-Funk geliefert hast, musst du dann noch jemanden etwas beweisen? (#savasvoice)
Wäre Dr. Dre, dann würde ich diese Fragen ganz klar mit „nein“ beantworten. Nach dem ersten Hören von „Compton: A Soundtrack by Dr. Dre“, seinem ersten Album seit „2001“ aus dem Jahr 1999, scheint es dennoch so, dass er kein Stück von seinem Hunger verloren hat. Mittlerweile ist Dre lang genug dabei um in einem Atemzug mit Grandmaster Flash und Afrika Bambaataa genannt zu werden und doch schafft er es, auf einen Track mit Kendrick Lamar zu springen und so zu klingen als wäre er ein Rookie. Wenn „Detox“ ansatzweise wie dieses Werk klingen sollte und er es nur verworfen hat, weil er schlichtweg nicht zufrieden gewesen ist, dann ist Dre der Perfektionist in Person! Kritikern und Zweiflern legt er gleich zu Beginn das Handwerk. So rappt er auf „Talk about it“:
„I’m too old I forgot I got it all, but Andre young enough to still geht involved“
Und genau das trifft es auf den Punkt. Dre lädt altbekannte und aktuell angesagte Künstler auf sein Terrain, um mit seinem Gehstock noch immer die Anweisungen zu geben und dort weiterzumachen, wo er auf „To Pimp a Butterfly“ aufgehört hat. Der alte Mann kämpft sich mit harten Bandagen durch den Blues, Jazz, Funk und Rhythm and Blues mit dem Hunger, es in diesem Jahrhundert noch einmal jedem zu beweisen.
Einem Intro von Eazy-E auf „Darkside/Gone“ folgt ein chaotisch klingendes „Loose Cannons“ und meinem Favoriten „Issues“. Auf „Issues“ kommt es nicht nur zu einer Reunion mit Ice Cube, sondern auch zu einer Verschmelzung von unterschiedlichen Grooves und Soundästhetiken. Hier war zweifelsohne jemand am Werk, der nicht auf Reputation aus war – eher auf Zementierung seiner Stellung in der Musikgeschichte. Snoop Dogg liefert auf „One Shot One Kill“ einen seiner besten und vor Energie strotzenden Parts seit Jahren ab und DJ Premier macht aus „Animals“ einen weiteren Höhepunkt.
Wenn es einen Schönheitsfehler auf dem Album gibt, wäre es Eminem’s Part auf „Medicine Man“. Als einzelner Part sind Em’s Zeilen wie immer makellos, aber sie passen nicht in das Gesamtbild des Songs bzw. zum Album. Anscheinend hat Eminem wie so oft versucht selbst mehr herauszustechen als es zum Song passen würde.
Das Beeindruckendste an „Compton: A Soundtrack by Dr. Dre“ ist allerdings, das es Dre schafft, ältere Weggefährten wie The Game, Snoop, Cube und Cold 187um, perfekt mit aktuellen Künstlern wie Asia Bryant, Jon Connor, Justus, King Mez und Anderson Paak zu mixen. „Compton“ ist der Beweis dafür, dass Dre und N.W.A. nicht einfach nur ein Teil der Vergangenheit sind.
Stream + Download: „Compton“ by Dr. Dre (via iTunes)
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Eine zweite Meinung zum neuen Dre Album gefällig? Hier findet ihr Carsten’s Review zum neuen Dr. Dre Album.