In der Kategorie “5 Fragen zum Album” stellen wir euch ausgewählte Musik-Künstler und ihre bald erscheinenden oder vor kurzem veröffentlichten Alben vor. Grundlage sind dabei immer 5 kurze und knackige Fragen. Heute haben wir den Produzenten Tony Crisp mit seinem neuen Album „Geräuschkulisse“ zu Gast.
Täglich erreichen uns eine Vielzahl an Mails von Newcomern, die uns ihre neuesten Musikvideos, Streams und Free Downloads vorstellen. Aus dieser Masse an Informationen den Überblick zu bewahren und die wirklich guten Releases herauszufiltern ist nicht immer ganz einfach. Bei Tony Crips hingegen fiel uns die Auswahl ganz besonders leicht und so sind wir seiner Bitte „wäre auf jeden Fall mal cool, wenn Ihr mal reinhören würdet…“ gerne nachgekommen.
Ende Juni veröffentlichte der Münchener sein neues Produzenten-Album „Geräuschkulisse“ und zwar komplett für lau. Erste Eindrücke und Hintergründe zur LP habt ihr bereits in der „Who’s On Next“-Ausgabe mit Tony Cripst entdeckt. Nun gaben wir dem Bayer die Möglichkeit, selbst ein paar Worte über das Release zu verlieren.
Dein letztes Release „Follow the white rabbit pt. 2“ liegt inzwischen drei Jahre zurück. In dieser Zeit hast du eine ganze Reihe an Beats und Remixe auf verschiedenen Alben/Mixtapes platzieren können. Wie nimmst du deine eigene Entwicklung von 2012 bis heute wahr?
Seine eigene Entwicklung zu beurteilen oder zu erkennen ist natürlich immer schwer, da das ganze ja ein schleichender und fortlaufender Prozess ist. Ich hab mir letztes Mal zufällig die ersten Beats angehört, die ich so gebaut habe und muss sagen, wenn ich das heute höre, würde ich die Sachen mit Sicherheit keinem mehr zeigen. Da sind schon ganz grobe Sachen dabei. Wenn ich die mit den heutigen Sachen vergleiche, die ich mache, kann ich doch eine sehr positive Entwicklung feststellen.
Ich habe ja im Laufe der Zeit auch neue Leute kennengelernt wie z.B. Maniac von den Demograffics und mit dem mal über Beats geredet und wie er so arbeitet usw. Das öffnet auch nochmal ein gutes Stück weit den Horizont und man lernt dazu. Maniac hat mich schon gut geprägt muss ich zugeben.
Natürlich ist das Feedback heute auch besser als früher, da man mit Soundcloud oder anderen Streaming Portalen aggressiver in die Öffentlichkeit gehen kann und so mehr Hörer für seine Sachen gewinnt. Ich war z.B. total geflashed als mich Boshi San wegen einem Remix angeschrieben hat. Die Demograffics haben plötzlich einen Beat von mir gepickt und ich durfte einen Remix für Liquid machen. Ich war davor schon ewig Fan von denen und plötzlich feiern die meine Beats… das ist schon ne ziemlich coole Sache.
Dein neues Album trägt den Titel “Geräuschkulisse”. Was ist genau damit gemeint und welche Bedeutung hat das Album Cover für dich?
Ich hab früher schon Instrumental Alben zum Free Dwnload veröffentlicht. Die hießen damals schon „Geräuschkulisse Vol.1 bis 8“, wurden aber nur von wenigen Leuten wahrgenommen. Als das Producer Album dann fertig wurde, war ich bei meinem Homie, der das Album auch gemischt hat, in der mixing Session und hab ihn gefragt, wie ich das Ding denn nennen sollte. Bis dahin hatte ich mir noch gar keine Gedanken drüber gemacht. Dann hat der gemeint „Hey, du hattest doch damals die Instrumental Reihe mit dem Namen „Geräuschkulisse“, klingt doch recht ästhetisch“.
Dann hab ich beschlossen das Ding einfach so zu nennen. Wenn ich das Wort „Geräuschkulisse“ laut ausspreche verbinde ich den Klanglaut immer mit einer alten, rauschenden Vinyl. Das war genau der Vibe, den ich beim produzieren und arrangieren hatte, drum fand ich den Namen dann auch passend.
Was das Cover angeht, wollt ich ein Foto haben, das zum Titel passt. Außerdem sollte man anhand des Bildes eine schöne Assoziation finden. Zugegeben, man hätte das Cover sicherlich auch aufregender oder kreativer gestalten können, aber alle meine Leute, die Fotografen oder Designer sind, hatten in dem Zeitabschnitt, in dem ich die Platte veröffentlichen wollte keine Zeit und viele Aufträge. Also musste ich das selbst irgendwie verwirklichen.
Auf dem Album sind neben deutschen emcees auch Rapper aus Kroatien, der Türkei und Serbien mit am Start. Wie hast sich das ergeben und welchen Bezug hast du zu den Jungs?
Den türkischen Rapper Kankanoid kenn ich ja schon ewig. Als ich früher selber noch emcee war, hat er mich mal rappen hören und gleichzeitig ein paar von meinen Beats angehört. Er hat dann gemeint: „Hey Junge du hast Talent, willst du mal mitkommen? Ich kenn da nen Typen, der heißt Murat, der hat ein Studio“.
Wir haben dann immer jeden Tag von morgens bis abends beim Murat im Studio gechillt, türkischen Tee getrunken, Texte geschrieben und recorded. Eines Tage ist dann mal Adnan vorbeigekommen, ein guter Freund von den beiden und hatte ein paar Beats dabei. Ich habe Ihn dann mal gefragt, wie er denn so Beats baut und was man dazu so braucht. Adnan war dann gleich voll korrekt und hat mir die Software und unzählige Sample CD’s einfach geschenkt – das muss Zeug im Wert von mehreren hundert Euro gewesen sein – und mir dann erklärt wie ein Beat strukturiert ist. Meine Beats hatten ja früher keine Struktur und waren meist knapp 10 Minuten lang und ohne Hook. Da haben meine Augen damals echt geleuchtet, als er mir das Zeug einfach so geschenkt hat. Man kann also sagen, dass der Kankanoid der Anfang von allem war, darum musste er unbedingt mit einem Track auf die Platte.
Kukuruzni Hljeb kenn ich auch schon länger von den Jams, auf denen ich früher bei mir in der Region aufgetreten bin. Für den hab ich damals auch schon Beats gemacht.
Miko hab ich über Kankanoid kennengelernt, man hat sich sofort verstanden und lag irgendwie auf einer Wellenlänge.
Mir war auch von Anfang an wichtig, dass ich auch Leute drauf hab, die nicht auf Deutsch rappen. Meine Wurzeln liegen ja in Kroatien und ich wollte irgendwas kroatisches auf dem Album haben, um meine Herkunft zu repräsentieren. Anfangs dachte ich mir, dass ich vielleicht nur ein Balkan Skit mache oder ein Interlude oder so was. Als ich dann aber Miko kennengelernt habe und ihn rappen hörte, hab ich mir gedacht „BOOOM PENG“, der Dude muss da unbedingt mit drauf…Übrigens ist der Stuhl auf dem Cover der erste Stuhl, den sich meine Familie gekauft hat, als sie nach Deutschland gekommen ist.
Welcher Track auf dem Album gefällt dir persönlich am besten? Zu welchem Song hast du eine ganz besondere Beziehung?
Ich hab zu jedem der Songs irgendwie ne Beziehung, weil ich jeden Beat aus ner bestimmen Stimmungslage heraus gebaut habe. Teilweise kann ich mich noch erinnern, wie ich mich damals gefühlt habe, als ich manche Beats gebaut habe, oder wie das Wetter draußen war bzw. in welchem Abschnitt meines Lebens ich mich da befunden habe. Die einzelnen Rapper haben ja das Album von den Beats her gestaltet. Ich hab jedem Rapper ca. 180 Beats geschickt und die Jungs haben sich rausgesucht, was sie dope fanden. Das war ja nicht so als ob ich jedem nur einen oder zwei Beats geschickt hätte. Positiv überrascht war ich dann, als die ersten Rückmeldungen kamen und die Ersten den Track mit Text geschickt hatten. Ich fand des echt sensationell, wie die Jungs ihre Beats interpretiert haben bzw. zu was für ein Thema jeden der gepickte Beat inspiriert hat.
Kannst du uns eine kleine Anekdote rund um das Album bzw. vom Entstehungsprozess erzählen?
Der Kukuruzni Hljeb hat ja seinen Track „Zadnji Put“ bei uns im Studio recordet. Als er ankam, hatte er eine Flasche Slivovica dabei, so als Geschenk. Er hat sich dann vors Mic gestellt und angefangen seinen Text zu rappen und da gibt’s eine Textstelle an der er sagt: „Opet perem lice sa mojim suzama“. Das is kroatisch und bedeutet so viel wie „Und wieder wache ich mein Gesicht mit meinen Tränen“ und mein Audio Engineer hat das letzte Wort im kroatischen Satz, diese „suzama“ als „zua sama“, also bayrisch für „zu sind wir“ verstanden. Er schaut mich so an und meint „Aha, hast ihn gehört – Zua sama“, fängt an zu lachen und stösst mit mir an. Seitdem war dem Kollegen von mir die kroatische Sprache recht sympathisch. Auch in der Mixing Session hat er dann immer gesagt: „Also den „Zua sama“ vom Kukuruzni Hljeb hab ich jetzt fertig gemixt“.
Wenn du einen Beat bastelst: Hast du direkt im Kopf wie das fertige Instrumental klingen soll oder überraschst du dich oft selber?
Wenn ich ein Sample flippe hab ich meist schon ein gewisses Bild im Kopf, wie der Beat am Ende klingen soll. Meistens funktioniert das dann auch, dass ich meine Idee realisiere, aber es kommt auch vor, dass ich an dem Beat dann paar Stunden sitze, mich in irgendwas verrenne und mir dann denke „F**k, des freshe Sample komplett verballert“ und den Beat dann wegschmeiße. Natürlich gibt’s dann auch Momente, wenn ich einn Sample pick und mich dann frag „Was mach ich da nur draus?“ und am Ende wird der Beat dann zu meiner eigenen Überraschung ziemlich gut. Das sind dann eigentlich die besseren Momente, ohne Konzept einfach an was ran zu gehen und sich überraschen zu lassen.
Denkst du, dass das Format des Producer-Albums wieder den Stellenwert einnehmen kann, den Stylewarz, Friction und Thomilla um die Jahrtausendwende herum erreicht haben?
Natürlich. Ich find eh, dass aktuell der Fokus wieder mehr auf die Produzenten geht. Was in den 90ern der DJ war, ist heute der Beat Producer meiner Meinung nach. Damals war nach dem emcee am Mic der DJ derjenige, der die zweithöchste Aufmerksamkeit genossen hat. Heute ist es meiner Meinung nach der Produzent. Natürlich hat das ganze J Dilla, MF Doom und Madlip Ding dazu beigetragen, aber man kann das ja auch an Sachen wie z.B. dem „12 Reasons to Die“ Album von Ghostface Killah sehen. Da wird vorne auf dem Cover der Produzent „Adrian Young presents…“ genannt oder auch an den ganzen Beatfight Geschichten, wo es plötzlich in jeder größeren Stadt Battles zwischen Producern gibt was ich sehr interessant finde. Jeder schreibt heute meist gleich im Song Titel dazu, von wem der Track produziert wurde bei YouTube. Heute ist es auch fast selbstverständlich, dass Leute wissen, wer z.B. die Beats für Lance Butters baut. Das war früher meist nur den „Credit“ Nerds überlassen, die das Booklet von ner CD studiert hatten.
Abschließend: Wie kam es zu der Maske? Welche Idee steckt dahinter? Gibt es schon den Plan sie irgendwann abzusetzen?
Für die Maske gibt es mehrere Gründe. Einerseits wollt ich einen Charakter erschaffen, der nicht stereotypisch beurteilt werden kann, bei dem Aussehen oder Herkunft egal sind und eher die Musik im Vordergrund steht. So oder so ähnlich hat es mal MF Doom gesagt und das fand ich irgendwie recht einleuchtend.
Ein weiterer Grund ist sicherlich auch seine Anonymität zu wahren. Ich meine, ich hab mir nicht eine Maske aufgesetzt mit dem Plan berühmt zu werden wie z.B. Sido oder Cro, die von Anfang an das Ganze als Marketing move gemacht haben und polarisieren wollten durch ihre geheime Identität. Meine Intension dahinter ist es eigentlich nicht erkannt zu werden. Ich war zuvor Frontman von ner Band die in der Region bei mir recht erfolgreich und bekannt war. Wir haben damals mit Casper, Fabian Römer (F.R.), Fiva usw. Auftritte gehabt. Mir war es aber immer unangenehm in der Öffentlichkeit angesprochen und erkannt zu werden, oder nach Auftritten von irgendwelchen besoffenen Leuten zugelabert zu werden. Das war echt nervig und unangenehm, weil du ja immer nett und freundlich zu denen sein musstest, weil du ja schließlich ein gutes Image haben und Merch und CD’s verkaufen willst.
Dazu kam, dass mich dann Leute oft nach einem Autogramm fragten und ich mir gedacht habe „What tha f**k, ich bin doch nicht Justin Bieber“. Mit der Maske umgehe ich sowas und es ist viel stressfreier. Ein weiterer Vorteil ist, dass mein Arbeitgeber mein Hobby nicht im Netz Verfolgen kann, so bleibt mir in meiner Kunst mehr Freiheit. Ich könnte heute einfach nen Beat bauen mit Samples aus Porno Filmen und das auf Facebook teilen, ohne mich am anderen Tag vor Kollegen oder meinem Chef rechtfertigen zu müssen, was ich in meiner Freizeit für nen Scheiß mach oder dann durch die Firma gehen und blöd angeschaut zu werden… über Facebook und Google wird man ja eh von jedem Kollegen oder zukünftigen Chef gestalkt. Somit behalte ich mir die Sicherheit und den Schutz der Anonymität.
Die Maske abzusetzen wär für mich nie ein Thema, weil man mich ja dann nicht mehr ernst nehmen würde bzw. könnt ich mich ja dann selbst nicht mehr ernst nehmen. Ich mein, warum hätte ich den Schritt gemacht mir eine Maske aufzusetzen, um sie dann wieder abzusetzen? Das macht für mich persönlich keinen Sinn. Ich will einfach nur in Ruhe meine Musik machen und die Köpfe der Leute zum Nicken bringen, da ist es unwichtig wer ich bin oder wie ich aussehe.
Album Cover