
Foto: (c) Johannes Roth, 2018
Eines meiner persönlichen Album-Highlights in diesem Jahr ist die „Weather Or Not“ LP von Evidence.
Durch die kürzlich veröffentlichte Videoauskopplung zum Song „Rain Drops“ wurde ich dabei auf Fotograf und Illustrator Johannes Roth aufmerksam. Der Berliner drehte zusammen mit Evidence den Clip und begleitete ihn außerdem auf seiner Europa-Tour als Konzertfotograf.
Wir nutzten die Gelegenheit, um mit Johannes über Eindrücke und Erlebnisse zu sprechen, die er während der Tour gesammelt hat.
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Foto: (c) Johannes Roth, 2018
Interview mit Johannes Roth
Du warst als Konzertfotograf auf der aktuellen „Weather Or Not“ Tour von Evidence dabei. Wie hat sich das ergeben?
Ich bin jahrelang bei jeder Europa-Tour zu mindestens einer Solo- oder Dilated-Show gefahren. Wir haben uns dann gleichzeitig über Instagram und als Foto-Buddies angefreundet. Gleichzeitig waren wir, sofern es der Tourplan erlaubte, auf kleinen Fototouren unterwegs – good ol‘ Instagram Days.
Davor war ich großer Fan seiner Musik, mittlerweile schätze ich ihn als Mensch mindestens genau so sehr. Über die Jahre hinweg hat sich dann immer mehr Vertrauen entwickelt und auch weil EV ein sehr ruhiger und entspannter Mensch ist, war mir schon recht früh klar, dass eine Tour mit ihm nur auf Basis dieses Vertrauens sinnvoll ist.
Darüber hinaus ist man auf so einer Tour ja auch eher erst mal eine Belastung, weswegen mir der Kontakt und das Vertrauen zu seinem deutschen Torumanager genau so wichtig war. Im Frühjahr 2018 wurde dann die zweiteilige „Weather Or Not“ Europa Tour angekündigt und eine lange, konzeptionelle SMS meinerseits und eine kurzes „Great! Jump on“ seinerseits hat das Ding festgezurrt.
Der Rest war Organisation mit seinem Tourmanager. Auch hier war es mir wichtig, mich über die Fotos und Videos hinweg mit einzubringen. Das beinhaltet dann auch mal zu fahren, Merch zu tragen, den Jungs Essen zu besorgen oder mitzuhelfen, den Überblick zu behalten.

Foto: (c) Johannes Roth, 2018
Wie sah ein typischer Tour-Tag für dich aus, wenn abends ein Konzert stattfand?
Morgens vom Handywecker geweckt werden, schnell alle Sachen in den Koffer werfen, merken, dass das so nicht geht, alles rauswerfen und nochmal von vorne reinstopfen. Das war wirklich fast jeden morgen so. Danach ein paar getrocknete Mangos und Nüsse runterschlingen, Zähne putzen und duschen und dann ab in die Lobby und hoffen dass man nicht der Letzte ist – die Jungs sind nämlich alle immer überpünktlich.
Meistens sind wir dann ein paar Stunden gefahren, haben währenddessen Beats gehört, EV und DJ Mishaps haben das Set für den Abend besprochen, geschlafen, was man halt auf langen Fahrten so macht. In der neuen Stadt dann meist direkt ins Hotel eingecheckt, kurz gechillt, alle Akkus geladen, Speicherkarten geleert, Backups gemacht. Dann ging es zum Soundcheck und es gab etwas zu Essen.
So ab 45 Minuten vor Showbeginn wird dann die ganze Truppe immer nervöser und fokussierter – vor allem EV! Die Show ist dann eigentlich immer besonders und immer irgendwie anders. Nach der Show müssen dann alle erst mal ein bisschen runterkommen.
Dann ist auch der Zeitpunkt für mich, an dem ich das erste mal am Tag wirklich Hunger bekomme, also wird gegessen und angefangen Bilder zu bearbeiten und es geht dann zurück ins Hotel, Bilder weiter bearbeiten und verschicken und dann versuchen zu schlafen mit der Hoffnung, nicht wieder völlig verballert aufzuwachen und nicht zu wissen in welcher Stadt und in welchem Hotel man ist.

Evidence Gig, Foto: (c) Johannes Roth, 2018
Welches Equipment nutzt du für die Konzertfotografie?
Recht simpel: Eine normale Vollformat-DSLR mit drei Festbrennweiten und eine Leica M mit 35mm. Keine Blitze!
Du hast unter anderem auch schon einzelne Tour-Stops von Illa J, Devin The Dude sowie für Duck Down und Mass Appeal Records begleitet. Welche Vorbereitungen triffst du, wenn du für längere Zeit unterwegs bist?
Wenn ich länger unterwegs bin, sortiere ich alles, was teuer und wichtig ist, in eine bestimmte Tasche. Das ist dann die „don’t steal me bag“, auf die ich besonders acht gebe und auch während der Show immer sicher verwahre.
In meine andere Tasche kommen dann viele Shirts und Hoodies des Künstlers. Das hilft mir immer, auf den ersten Blick schon der Entourage zugeordnet zu werden. Genug gesunde Snacks und tatsächlich eine ausführliche Reiseapotheke. Ansonsten versuche ich immer schon vorher die Venues auf Social Media abzuchecken um mir einen Eindruck über Licht, Winkel und eventuelle Möglichkeiten und Schwierigkeiten bewusst zu machen.
Was gefällt dir an deinem Beruf am besten, wenn du für längere Zeit auf einer Tour mit dabei bist?
Ich bin tatsächlich gar nicht so gerne so viel unterwegs, aber als Anhängsel eines Headliners hat man natürlich immer diverse Annehmlichkeiten und einen Artist-Pass, also die Möglichkeit und Erlaubnis des Künstler während der Show von Orten zu fotografieren, an die alle anderen nicht kommen. Das ist ein riesiger Vorteil.

Foto: (c) Johannes Roth, 2018
Auf einem der Bilder sehen wir Evidence inmitten einer Gras-Plantage. Wie hat sich das denn ergeben?
Das ist bei den Jungs und Mädels von abcbd.ch, die in Biel CBD-Weed produzieren. Bevor es im Sommer zur Show am Royal Arena Festival ging haben wir bei ihnen eine kleine Führung durch ihre Räume bekommen und ich für sie ein paar Bilder geschossen. Also alles legal. :-)
Die „Weather Or Not“ Tour führte durch zahlreiche europäische Städte. Wenn du heute zurückblickst: Welche Situationen sind dir ganz besonders in Erinnerung geblieben?
Es gibt so unfassbar viele Gänsehaut-Momente, aber ich denke der komplette Trip zum Hip-Hop Kemp hat sich für den Rest meines Lebens in mein Gehirn eingebrannt. Die Situation zwei Stunden vor der Show, als Evidence mit seinem Sohn Enzo gefacetimed, ihm die Tour-Crew vorgestellt und dann ein bisschen was vom Festival gezeigt hat, war unglaublich berührend. Aber auch die Show an sich war aufgrund der vielen Zuschauer, der Energie und dem Licht auf diversen Ebenen sehr besonders, emotional und für mich letztendlich ein prägendes Erlebnis.
Video: Evidence – „Rain Drops“
Kürzlich erschien das Video zu „Rain Drops“, das du zusammen mit Evidence abgedreht hast. Welche Inspirationsquellen habt ihr für den Dreh genutzt und wo fand dieser statt?
Das Video entstand Anfang November an einem Off Day zwischen den Shows in Duisburg. Wir kannten aus unseren Instagram-Zeiten die Location „Tiger and Turtle“ schon und da es sowohl geografisch, zeitlich, als auch inhaltlich passte, gab es keine Diskussion, warum es dort nicht stattfinden sollte.
Aus dieser Zeit ziehen wir bis heute unsere visuelle Inspiration, die sich von den Fotos in Bewegbilder verlagert hat. Wir haben beide auch eine ähnliche visuelle Sprache. In unseren Werken geht es doch meist dunkel, erdrückend und unklar zu, teilweise verwirrend und verträumt, mit Flashbacks und langen, fast unerträglichen Sequenzen.
Somit gab es keine direkte Inspirationsquelle. Es war die logische Fortsetzung und Verknüpfung unseres Schaffens. Für mich persönlich symbolisiert der Track – noch immer mein Lieblingstrack der LP – diese Achterbahn im Regen, das ständige auf und ab, das einen als taube Silhouette irgendwo hinführt, immer mit der Angst zu fallen und nicht zu wissen, was hinter der nächsten Biegung auf einen wartet. Alles irgendwie ohne Ende in Sicht. Und wenn man sich die letzten Jahre seines Lebens anschaut, dann erging es ihm da nicht anders.
Das aktuelle Evidence Album „Weather Or Not“ hier in voller Länge streamen.

Foto: (c) Johannes Roth, 2018
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Alle Bilder: (c) Johannes Roth, mit freundlicher Genehmigung.
Der Beitrag „Es gab unfassbar viele Gänsehaut-Momente“ – Interview mit Johannes Roth über seine Erlebnisse als Tour-Fotograf von Evidence erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.