In der Serie „Jedes Foto eine Geschichte“ stellen uns ausgewählte Künstler jeweils Fotos aus ihrem Alltag vor und schreiben darüber. Heute mit Philipp Gladsome.
Egal ob freundschaftlich unterwegs auf Tour, privat in einem dunklen und muffigen Club oder beruflich auf einem Festival – Philipp Gladsome gehört zu dieser Sorte Fotograf, bei dem die Leidenschaft die Grenzen zwischen Hobby und Beruf verschmelzen lässt und der quasi überall einen Schnappschuss hinbekommt.
So flexibel er selbst ist, so unterschiedlich sind auch die Künstler, die er schon vor der Kamera bekommen hat. Grund genug, um ihn dazu zu interviewen!
Helene Fischer
Vor zwei Jahren war ich mit Silbermond auf einer sehr angenehmen Tour unterwegs. Ich selbst war für die Fotos und Dennis Dirksen für das Filmmaterial zuständig. Ein großartiger Videograph und unter anderem auch der Tourfilmer von Helene Fischer.
Irgendwann gab es einen Wechsel bei Helene, was den Fotografen betraf. Da muss es ein Meeting gegeben haben oder jeder konnte ein paar Fotografen vorschlagen und Dennis hat mich dabei wohl ins Spiel gebracht. Helene und ihr Label haben sich dann für mich entschieden und es kam dazu, dass ich Fotos bei einem kleinen Auftritt von ihr im Münchner Kesselhaus vor 800 Leuten für Social Media machen durfte.
Das Konzert wurde live auf ARD übertragen und kam auch als Live-DVD heraus, was mich wirklich gefreut hat. Das Coverfoto und fast alle Bilder im Booklet sind von mir. Dieses Bild entstand ungefähr 30 Sekunden vor ihrem Auftritt.
Helene ist eine unfassbar nette Frau, der ich den Erfolg von ganzem Herzen gönne. Sie hat sich alles erarbeitet und ist nur am Hustlen. Auch wenn es musikalisch nicht meins ist, kann ich sagen, dass ihre Show total professionell ist.
Hongkong Mermaid
Die Geschichte dazu ist wirklich spannend. Ich war mit dem wunderbaren Fotografen Max Münch für einen Job für Samsung in Hongkong. Nebenbei hatten wir etwas Freizeit und was machen Fotografen in ihrer Freizeit? Genau, fotografieren!
Also suchten wir auf Instagram nach Locations in Hongkong, die man noch nicht allzu oft gesehen hat. Irgendwie landete Max dann auf dem Profil von Hongkong Mermaid und da sahen wir ein Foto von einer Location, die super interessant aussah – wie aus einem Science Fiction Film der 90er.
Max fragte sie, ob sie uns sagen könne, wo das ist. Sie antwortete, dass sie es uns zeigen muss, weil erklären etwas kompliziert ist, da man dafür in die Kanalisation gehen muss. Und mit gehen meinte sie 10 Minuten durch einen dunklen Kanal schwimmen. Ich hatte auf Max‘ Verstand gehofft es daraufhin abzublasen. Fehlanzeige.
Am nächsten Tag trafen wir uns mit ihr, nachdem wir ein Drybag für unsere Kameras gekauft hatten und gingen nach unten. Zuerst konnte man auch noch laufen, aber dann hieß es ab in die Badehosen und rein in die Suppe. Nach dem Schwimmen wartete noch ein 10 Minuten Fußmarsch durch die absolute Dunkelheit auf uns. Das Licht des iPhones reichte gerade mal für einen Meter und dann war es komplett schwarz.
Aber als wir ankamen war mir klar, dass es sich gelohnt. Genießen konnte ich es trotzdem nicht ganz. Schließlich mussten wir ja auch wieder zurück. Ich glaube vor uns war davor erst ein oder zwei Fotografen.
Johnny Space, Marvin Game & Justin Bieber
Butter bei die Fische: Ist das Foto echt oder „gephotoshopped“?
Also: Johnny Space – der Typ „in der Mitte“ – hat mich 2014 gefragt, ob ich nicht Bock habe, mit ihm und Marvin Game nach L.A. zu fliegen, um dort ein Video zu drehen („Leben tut der Seele gut“). Ein halbes Jahr vorher war ich mit MC Fitti schon dort und kannte die Stadt dadurch ein bisschen.
Wir haben jeden Tag Fotos gemacht, Videos gedreht, geguckt, wo wir was machen können und so weiter und so fort. An dem Tag waren wir in Venice Beach, die Sonne ist schon untergegangen und wir wollten eigentlich nur ein einziges Foto machen, weil der blöde Laster im Weg war – keine Ahnung, was da gedreht wurde.
Als ich meine Kamera aufgestellt habe, seh‘ ich Justin Bieber mit dem Longboard ankommen, der mich anguckt à la „Yo, ich komm‘ jetzt gleich ins Bild gefahren“. Ich hab‘ dann schnell meine Kamera hochgenommen und abgedrückt. Genauso schnell wie er gekommen ist, war er auch wieder weg. Deswegen ist er auf dem Foto auch ein wenig verwackelt und es sieht so „reingephotoshopped“ aus, weil die Belichtungszeit nicht kurz genug war, um jemanden in einer Bewegung zu fotografieren. Der Laster im Hintergrund ist ja auch schärfer als die Jungs vorne, weil ich wirklich einfach nur abgedrückt habe. Wäre es „reingephotoshopped“ wären die Jungs auf jeden Fall schärfer.
Wir haben ein halbes Jahr gewartet bevor wir das Bild gepostet haben, weil wir nicht wussten, was wir damit machen sollten und es uns bestimmt niemand glauben wird. Jeder, der behauptet das Foto sei nicht echt: Es gibt auf YouTube Videos von Justin Bieber wie er in genau diesem Outfit, im September 2014 mit dem Longboard in Venice Beach unterwegs ist.
Zu dem Tag kann man noch sagen: Zehn Minuten später ist David Hasselhoff noch an uns vorbeigelaufen und Marvin rief ihm zu „Thank you for saving Germany!“ Er antwortete nur „Alles klar!“ Ich hab‘ das später noch gegoogelt und die beide haben dort zusammen eine Werbesendung.
Justin Sonder
Ich sollte Justin im Rahmen eines Buchprojektes der Chemnitzer Künstlerin Ivonne Dippman fotografieren, für dieses Projekt habe ich alle Menschen mit mehr Raum fotografiert, um es mehr wirken zu lassen, so auch bei Justin.
Vor dem Shooting hatten wir uns allerdings eine halbe Stunde mit ihm unterhalten und ihm zugehört. Er ist der letzte Chemnitzer Auschwitzüberlebende und seine Geschichte ist so interessant und ergreifend, dass ich es schade fände, diesen Mensch nur von weiter weg zu fotografieren, also bat ich ihn zusätzlich, sich nochmal kurz zwischen Fenster und schwarzen Vorhang zu stellen. Ich habe drei Fotos gemacht und wusste dass das reicht.
Ich habe mir das Foto seitdem sehr oft und sehr lang angeguckt und es wirkt jedes Mal wieder.
K.I.Z. – “Nur für Frauen”
Das war im Lido in Berlin auf dem letztjährigen „Nur für Frauen“ Konzert. Natürlich war ich auch als Frau verkleidet, wenn auch nicht so hingabevoll wie die Jungs. Es ist auf jeden Fall ein komisches Gefühl, so als einziger Mann zwischen all den Frauen zu stehen. Es war mir fast schon unangenehm. Ich glaube das Publikum war auch nicht so „amused“, dass da auch noch wer mit Bart hier rumstiefelt.
Sind bei den Konzerten wirklich NUR Frauen am Start?
Selbst bei dem Sicherheitspersonal wird weitgehend versucht, es nur mit Frauen zu besetzen. In Köln hat sich zum Beispiel auch die Security eine Perücke aufgesetzt. Dieses Jahr hab mich mir auch mehr Mühe gegeben: Ich habe mir die Beine rasiert, mich jeden Tag geschminkt, Nagellack aufgetragen… Dieses Jahr hatten sie auch eine Visagistin dabei. Jeder von den Jungs war mindestens eine Stunde in der Maske. Maxim & Nico haben sich sogar die Beine wachsen lassen.
Ich stell mir das backstage ziemlich „komisch“ vor…
Es war eine Mischung aus „völlig normal“ und „Hihihi“. Zumindest für mich. Alle anderen schienen ziemlich abgeklärt.
Kraftklub
Die Jungs kenne ich schon, bevor es Kraftklub gab. Felix habe ich glaub ich mit sechs Jahren mal getroffen, weil unsere Eltern sich kannten. Aber das wars dann auch. Als ich mit 19 Jahren wieder aus Berlin nach Chemnitz zurückgekommen bin, war ich im Atomino und habe Felix dort wiedergesehen. Damals hat er noch unter dem Namen Bernd Bass Rap gemacht.
Das Bild ist 2010/2011 auch im Atomino, während eines Musikvideodrehs entstanden, das nie rausgekommen ist. Woran das lag weiß ich leider nicht.
Lang Lang
Das Bild entstand vor zwei Jahren, als ich für VW Group Culture und dem Pianisten Lang Lang bei der Olympiade in Rio de Janeiro war. Meine Aufgabe war es, drei Auftritte von Lang Lang zu dokumentieren.
Das erste Konzert war in der Residenz des deutschen Generalkonsulats in Rio de Janeiro. Als ich in das Speisezimmer kam, fiel mir sofort der große Holztisch auf und die perfekte Beleuchtung am Ende des Tisches, nach seinem Auftritt bat ich ihn, am Ende des Tisches Platz zu nehmen. Ich glaube insgesamt habe ich dort nur fünf, sechs Fotos von ihm gemacht und dann mussten wir schon weiter zum nächsten Konzert.
Maxim (K.I.Z.)
Das Foto ist während der letzten Tour in Ulm entstanden. Einen Tag vor dem Dreh der Schwarzwälder Kirschtorten zu „Glück gehabt“. Die Jungs hatten schon die Outfits zum Videodreh dabei und zum ersten Mal angezogen. Nach der Show wollte Maxim ein paar Porträt-Fotos machen und hat sich daraufhin dieses eklige glänzende Sakko angezogen.
Wir haben davor noch irgendwelche Schlagerstars gegoogelt, um zu gucken, wie sie posieren. Ein Schlagerstar ist ja mehr als nur die Musik. Unter anderem ist dann auch dieses Bild entstanden. Es gibt noch viel mehr Fotos aus diesem Set, die ähnlich schlimm sind. Aber das hier hat ihm wahrscheinlich so gut gefallen, dass er auf die Idee gekommen ist, einen Instagram-Account zu erstellen und das Foto jeden Tag zu posten.
Skurrilerweise kommen unfassbar viele Follower von Maxim aus der Türkei. Er hat mich dann auch irgendwann mal markiert und ich hab plötzlich auch türkische Nachrichten bekommen.
Miley Cyrus
Das Bild ist zwei, drei Wochen alt. Ich war bei der Release-Party vom Magazin „Wonderland“ von Ellen von Unwerth, eine deutsche Fotografin, die international bekannt ist. Die Party fand in einem Haus in L.A. statt. Es war ein lustiger Abend mit Band, bekannten Drag-Queens, Thomas Hayo (GNTM), Genetikk und einer Terrasse mit Blick über ganz L.A.
Irgendwann stand Diplo neben mir an der Bar. Ich finde Diplo wirklich sehr, sehr gut, weswegen ich sofort nervös wurde. Ab dann war mein Ziel für den Abend: Diplo anquatschen und ihn um ein Foto bitten. Ich hab mir dann Mut angetrunken beziehungsweise viel getrunken, bin zu ihm hin und habe gefragt, ob ich 1-2 Bilder von ihm machen kann. Er war cool damit, ich habe ihn fotografiert und noch einen schönen Abend gewünscht.
Irgendwann habe ich Miley Cyrus gesehen, hatte aber keine Zeit, um sie anzusprechen, weil ich einen Kumpel reinholen musste. Als ich zurückkam, war sie weg. Kurz bevor ich um 3 bis 4 Uhr nach Hause wollte, kam sie mir wieder entgegen.
Meines Erachtens nach habe ich zwei Fotos von ihr gemacht. Auf dem Film ist aber das hier drauf, was zum Glück noch ganz gut geworden ist. Ich dachte, dass die Fotos von Diplo auch dort drauf sind, sind sie aber nicht. Jetzt weiß ich nicht, ob ich den Film einfach nur blöd eingelegt habe oder es auf einem anderen ist. Ich hab‘ allerdings nur diesen Film beschriftet und 14 weitere unbeschriftete hier noch rumliegen.
Post Malone
Seit sieben Jahren bin ich jedes Jahr auf dem splash!, zelte alle drei Tage dort und habe auch irgendwann angefangen, Fotos für mich und befreundete Rapper zu machen. Letztes Jahr durfte ich für einen Tag den Instagramaccount vom splash! Übernehmen, um ein paar Stories zu machen und das ein oder andere Bild rauszuhauen.
Post Malone finde ich sehr interessant. Sowohl musikalisch als auch menschlich. Ich hab‘ mir den Auftritt angeguckt und mich ihm später im Backstage vorgestellt und gefragt, ob ich ein paar Fotos von ihm machen darf. Das ist jetzt kein Foto für mein Portfolio, aber fürs Internet reichts. Er sieht ziemlich fertig aus, weil er sich auch auf der Bühne ziemlich angeheitert hat.
Wie leicht ist es denn eigentlich auf einem Festival Fotos von Rappern zu machen?
Man kann es gut einschätzen, je nachdem wie abgeschirmt sie sind. Manche sind mit zehn Securities unterwegs und andere relativ entspannt. Wenn 1.000 Leute um einen herum stehen, dann will ich nicht auch noch dazukommen. Bei ihm hatte ich nicht den Eindruck, dass ich ihn störe. Grundsätzlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Künstler cool damit sind, wenn man sich vorstellt und nett fragt. Besser als einfach drauf los zu knipsen.
Zugezogen Maskulin
Ich habe die Jungs kennengelernt, als sie Voract von Kraftklub und mit uns unterwegs waren. Alle haben sich direkt total gut verstanden. Irgendwann hat mir Anna, die Managerin von ihnen, geschrieben, dass sie relativ kurzfristig Pressebilder brauchen, die unter anderem auch für die Tourplakate verwendet werden sollten.
Am nächsten Abend haben wir uns dann schon getroffen. Ich hatte nur einen einfachen Blitz und einen weißen Schirm dabei, den ich meinem Bruder in die Hand gedrückt habe. An einer grauen Wand am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin haben wir die Fotos geschossen. Auf einmal kam ein ziemlich besoffener Typ vorbei und hat uns gefragt, was wir machen. „Fotos?!“ „Musst mal ein Foto von mir machen! Bin ja viel geiler!“ „Aber ich mach gerade Fotos von den Jungs?!“ „Dann stell ich mich mal mit denen!“ (lacht)
Er hat sich dann einfach zwischen die Jungs gestellt, ich habe nur ein Foto gemacht und der Typ ist weitergegangen. Dieses ist dann das Tourplakat geworden. Zur Record Release-Party gab es dieses Bild als lebensgroßen Pappaufsteller und der Kopf vom Typ in der Mitte war ausgeschnitten.
Ich hatte das Bild nur zum Spaß in die Dropbox reingepackt. Keine Ahnung wie das rechtlich aussieht und ob er uns den Arsch wegklagt, wenn er das sieht. Bis jetzt kam noch nichts. Ich stell mir das auch für ihn lustig vor, weil die Plakate ja auch in ganz Berlin aushingen und ich weiß nicht, ob er sich an das Foto erinnern kann.
Der Beitrag „Es war ein lustiger Abend mit Live-Band, bekannten Drag-Queens, Thomas Hayo (GNTM), Genetikk und einem Blick über ganz L.A.“ – Fotogeschichten von Philipp Gladsome (Interview) erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.