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„Cover sind Sinn-, Vibe- und Symbolträger der Musik zugleich“– Pierre von Helden über seine Artworks für Pierre Sonality

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pierre von helden

Zu einem stimmigen Gesamtbild musikalischer Natur gehört nicht nur der gute Sound, sondern auch das Artwork. Egal ob früher im Plattenladen, oder heute bei den Streamingdiensten – ein gutes Cover überzeugt manchmal dann doch in neue Musik reinzuhören.

Aus diesem Grund unterhalten wir uns mit kreativen Köpfen, um herauszufinden, was ein gutes Cover ausmacht. Dieses Mal ist Pierre von Helden zu Gast (Website). Er hat für Pierre Sonality gleich drei Artworks designt – die Cover der „Magedeburg“-Trilogie. Dazu gehören die EPs „Fundament“ (VÖ: 10.10.2014) und „Olvenstedt“ (VÖ: 07.11.2014) sowie das Album „Magdeburg“ (VÖ: 05.12.2014).

Interview mit Pierre Von Helden

Doch wie kam es überhaupt zu der Zusammenarbeit und wie hat Pierre von Helden seinen unverkennbaren Stil entwickelt? All das hat er uns in diesem Interview erzählt.

Vorherige Folgen:

Interview mit Joel Ferreira Carneiro über sein Plattencover für Mädness & Döll’s „Ich und mein Bruder“ LP

Wie kam der Kontakt bzw. die Zusammenarbeit mit Pierre Sonality zustande?

Der Kontakt kam indirekt über meinen Deutsch-Rap-orientierten Cousin zustande, der mich 2013 in Leipzig besuchte, um mich auf ein Funkverteidiger-Konzert zu schleppen. Ihm gebühren an dieser Stelle riesen Probs, denn er brachte auch ein paar aktuelle Deutsch-Rap-LPs von Tufu, Hiob, Eloquent und Sendemast mit, um sie vorab zu hören und mich endlich von Deutsch-Rap zu überzeugen.

Ich war bis dato fast ausschließlich US-Rap geprägt und damals noch immer dem Sound und Flavor der 90er aus NYC stark verfallen. Ich war fest der Überzeugung, dass deutsche Beat-Maker weder so produzieren könnten wie Large Pro, DJ Premier oder Pete Rock, noch, dass mich ein deutsches Rap-Album textlich jemals so flashen könnte wie „Illmatic“, „The Infamous“ oder“ Word…Life“ bzw. so klingen könnte.

Diese Sicht änderte sich radikal in dem Moment, als mein Cousin die „State of Flavour“ LP auflegte! Der Konzertabend später definierte für mich Deutschrap neu und Pierre Sonality bekam am nächsten Tag eine Freundschaftsanfrage auf Facebook.

pierre sonality ep releasesPierre Sonality EP Releases

Wochen später schrieb er mir via Facebook, dass ihn der Stil meiner Collagen an den „Sozialistischen Realismus“ der DDR-Zeit erinnere und fragte, ob er ein bestimmtes Bild kaufen könne. Der Verkauf kam zwar nie zustande, aber wieder ein paar Monate später fragte er mich, ob ich das Cover für „Magdeburg“ in meinem „sozialistisch-realistisch“-ähnlichen Collage-Stil bauen wollen würde.

Das fand ich spannend, denn ich beschäftigte mich zur selben Zeit selbst sehr intensiv mit meiner DDR-Herkunft und wusste wovon er redete, als er von „DEN Bildern“ sprach, die in allen Schulen und Kindergärten der DDR hingen, allen voran die DDR-Bildikone überhaupt: „Peter im Tierpark“ von Harald Hakenbeck aus dem Jahr 1960.

War von Anfang an klar, dass es eine Trilogie wird? Und auch, dass du dafür alle Cover gestaltest?

Wenn ich mich richtig erinnere, stand ja schon zwei Jahre vor dem tatsächlichen Release fest, dass ein Soloalbum namens „Magdeburg“ von Pierre Sonality zu erwarten sei. Es wurde viel spekuliert und das Album galt schon als eine Art Mysterium, da niemand wusste, wann oder ob es wirklich erscheinen würde.

Nachdem mich Pierre Sonality dann anschrieb, war auch erstmal nur von „dem“ „Magdeburg“-Album, also wirklich nur einem Album-Artwork die Rede. Einige Zeit später kam er mich dann aber in Leipzig besuchen und überraschte mich mit der Aussage, dass er sich eigentlich eine ganze Trilogie vorstelle, mit zwei EPs und einer LP inklusive Gatefold-Cover. Er meinte „Ich habe einfach soviel Musik, die raus muss!“ Daraufhin rechnete er kurz und meinte „Ich brauche rund 7 Bilder von dir.“ Da wurde mir kurz schwindelig und ich sagte nur „Okay, bis wann?“

Pierre Sonality Magdeburg Album CoverPierre Sonality – „Magdeburg“ Album Cover

Zu diesem Zeitpunkt hatte er auf alle Fälle schon das Titel-Konzept „Fundament“, „Olvenstedt“ und „Magdeburg“ parat und notierte es mir auf einem Blatt Papier und meinte, dass die Artworks im besten Falle die Titel der EPs und der LP künstlerisch-gestalterisch widerspiegeln sollen. In diesem Moment war mir klar, dass ein passendes thematisches Konzept bzw. eine Story um die Trilogie herum entwickeln werden müsste, sodass zum Schluss ein Überthema oder ein Kontext alle drei Teile zu einem Ganzen verbinden würde.

Die EP-Cover sind eher im Hochformat angelegt, das Album Cover ist aber quadratisch. Gibt es dafür einen besonderen Grund?

Dafür gibt es den simplen Grund, dass sich die EPs einfach auch optisch, trotz gleichen Stils, von der Doppel-LP als „Finale“ der Reihe klar absetzten und unterscheiden lassen sollten.

Da Pierre Sonality mir absolute kreative Freiheit einräumte und die Idee hatte, dass die Bilder als „Kunstdrucke“ die Vinyls schmücken, stand für mich schnell fest, die Collagen mit umlaufendem Weißrand zu präsentieren und ihnen so ein Passepartout und mehr Strahlkraft zu geben. Pierre Sonality war absolut cool damit, auf alle Infos wie Titel und seinen Namen auf den Front-Covern zu verzichten, um damit die Wertigkeit der Bilder und den Reihencharakter der Arbeiten bzw. Vinyls zu unterstreichen.

Die Intention dahinter war also, die Cover der Reihe direkt als Kunstdrucke auszuweisen und den Fans ganz deutlich zu kommunizieren, diese auch zu rahmen. Wir wollten also deutlich hervorheben, dass die Trilogie in Form der Musik auf Vinyl und in Form der Collagen auf den Covern zwei Kunstformen verbindet und etwas Besonderes ist. Diesen Ansatz gab es vielleicht bis dato im Deutsch-Rap noch nicht in solchem Umfang und in solcher Reinform. Der künstlerische Anspruch an die Artworks war also von Anfang an da.

Während der Überlegungen zum Layout und der groben Gestaltung kam mir auch in den Sinn, dass Pink Floyd für das Album „Wish You Were Here“ von 1975 einen ähnlichen Cover-Aufbau nutzte. Dieses Pink Floyd- bzw. Hipgnosis-Zitat als die Cover-Revolution schlechthin fand ich so untypisch Hip-Hop, aber gleichzeitig so classy und zeitlos, dass es mich und Sonality enorm reizte ein solch starkes visuelles Statement zu setzen.

Fundament Olvenstedt CollagenPierre Sonality: Fundament / Olvenstedt Collagen

Wie viel Mitsprache hatte der Künstler bei den Covern?

Pierre Sonality hatte natürlich schon durch die Wahl der Titel der Releases einen thematischen Rahmen festgelegt, an dem ich mich inhaltlich orientieren wollte, und er hatte auch ein paar erste Ideen zur Gestaltung. Bei seinem Besuch durchstöberten wir dann meinen Fundus an Collagen und er pickte dann gleich die Frontbilder für „Fundament“ und „Olvenstedt“ vor Ort, da sie gleich seiner Vorstellung entsprachen. Sie bildeten die Ausgangsbasis des Gesamtkonzeptes der Trilogie. Zum Ende seines Besuchs sagte er nur: „Pierre, ich mach’ die Musik und du die Kunst!“

Da die Stadt Magdeburg eine von 16 Bezirkshauptstädten der DDR war und für mich aufgrund ihrer Geschichte einen besonderen Symbolcharakter für den ehemaligen „Arbeiter- und Bauernstaat“ ausstrahlte, kam mir wenig später die Idee, die „Magdeburg Trilogie“ als Bildergeschichte der 40 Jahre DDR unter dem Arbeitstitel „Die Dekaden einer Republik“ zu konzipieren.

Das „Fundament“-Frontcover steht dabei repräsentativ für die 50er Jahre und die Maßnahme der Bodenreform und das Backcover für die 60er Jahre und die damit einhergehende Formulierung des Ziels der Entwicklung des „Neuen, sozialistischen Menschen“. Der Plattenbau (Typ P2) auf dem „Olvenstedt“-Frontcover steht exemplarisch für das in den 70er Jahren unter Honecker beschlossene neue Wohnungsbauprogramm und die damit verbundene intensive Bebauung der grünen Wiesen mit Plattenbauten auf dem Gebiet der DDR. Das Backcover, also die Tischtennisplatte vor dem Eigenheim, ist Symbol für den Keim der Friedlichen Revolution und dem Wunsch der Bevölkerung nach mehr Konsum und mehr Individualität.

Wäre die „Trilogie“ ein Altarbild, so bildeten die EPs die Mitteltafeln und das Front- und Backcover des „Magdeburg“-Albums die zwei Seitentafeln. Das Frontcover von „Magdeburg“ zeigt symbolisch den Beginn der DDR (1949) im Sinne der Ergreifung und Schärfung des Sichels durch den Arbeiter vor einem Wohnblock auf einem Bauplatz und steht für den Aufbauwillen des neuen Landes. Das Backcover steht hingegen für das beschlossene Ende der DDR (1989/90) im Sinne der Niederlegung des Hammers bzw. der Arbeit durch den Arbeiter vor dem verwaisten Wohnblock.

Das graue Element in den beiden Collagen sorgt häufig für Fragezeichen bei Betrachtern. Für mich ist es auf dem Frontcover als Bau-/Betonelement auf dem Bauplatz zu verstehen und auf dem Backcover als das eiserne Endstück eines Hammers umzudeuten. Arbeiter, Sichel und Hammer auf „Magdeburg“ sind daher als Symbole des Aufstiegs und Falls der DDR zu verstehen.

Die Collage im Inneren des Gatefolds – „Der Tanz um die Stühle“ – ist eine kleine Parabel auf das Suchen nach der persönlichen Haltung gegenüber der DDR als Teil der letzten Kindergeneration der DDR – ein Erbe, das Sonality und ich als DDR-Kinder der frühen 80er teilen.

Hast du davor oder danach noch weitere Cover für andere Künstler gestaltet oder war es eine einmalige Sache?

Die „Magdeburg Trilogie“ war mein allererstes Artwork-Projekt und natürlich gleich eine tolle Gelegenheit und Herausforderung für mich als Künstler und Gestalter, da mir ganze drei plane Plattencover zur Verfügung standen, um ein ganzheitliches und spannendes Konzept zu entwickeln. Die „Magdeburg“-Reihe war in jedem Fall für mich persönlich ein Prestigeprojekt und auch bestimmt ein Türöffner in die Rap-Szene auf der Gestaltungsebene, mit dem ich mich für weitere Projekte empfehlen wollte und konnte.

Seitdem habe ich zusammen mit Sarah Schroeder das Projekt „das Apartment102“ gegründet, ein Studiokollektiv für Grafik und Gestaltung, das sich besonders auf Vinyl-Artworks und Gebrauchsgrafiken spezialisiert. Wir erarbeiten gemeinsam mit den Musikern sehr individuell das Gestaltungsthema zum Release und übernehmen all die Aufgaben, die das Vinyl am Ende veredeln und die Optik und Haptik betreffen: das beginnt bei der reinen Gestaltungsidee, geht über das Layout und die Wahl des Fonts und Kartons bis hin zur Kommunikation mit der Druckerei und der Bewerbung für das Release in den verschiedensten Medien.

„Wanderlust“ EP von Ozoyo

Wir hoffen, durch unser Tun jedem Vinyl-Release einen zeitlosen künstlerisch-konzeptionellen Charakter zu verleihen. Zusammen haben wir in den letzten Jahren einige Projekte umgesetzt:

Letzten Monat erschien das „plusminusnull“-Album von den Freunden Beppo S. und Peter B. aus dem Hause Daily Concept, für das wir uns für eine Fotomontage-Technik als Artwork entschieden haben, die im Zusammenspiel mit dem Titel als visuelles dadaistisches Zitat der 1920er Jahre gelesen werden kann. 2016 gestalteten wir auch die „Wanderlust“ EP von Ozoyo, bei der das Artwork eher mit landschaftlichen Assoziationen spielt, die dem Titel und dem Vibe der Platte entsprechen.

dEnk Drumtomski Fusions Album CoverFUSIONS 1 von dEnk und Drumtomski

Ein weiteres Highlight ist unsere 2016 begonnene gestalterische Zusammenarbeit mit den guten Menschen aus dem 2 Zimmer Gefüge in Form ihrer abstrakt-gehaltenen Instrumental-Reihe mit dem Titel „FUSIONS“. 2017 erschien bereits „FUSIONS 1“ von den Gefüge-Mitgliedern dEnk und Drumtomski, Ende 2018 kommt dann aller Voraussicht nach „FUSIONS 2“ von Schwan. In meiner Schublade liegen bereits die Cover-Drafts der nächsten 7 Teile, denn am Ende der Reihe, das heißt in 8–9 Jahren, möchte ich dem Reihencharakter gestalterisch gerecht geworden sein. Diese Aufgabe ist natürlich eine unglaublich schöne Gelegenheit ein noch größeres Projekt als es die „Magdeburg Trilogie“ schon war gestalterisch zu definieren und konzeptionell zusammenzubringen.

Derzeit arbeite ich mit Stephan Rether an der Gestaltung des Artworks des Debütalbums von Poly Poly, bestehend aus Hans Hu$tle und Volt Age, für das wir zusammen nach dem richtigen Maß an Neo-Space-Funk-Design suchen, um dem progressiven Sound und Flavor der Band gerecht zu werden.

Darüber hinaus habe ich rund fünf unveröffentlichte Vinyl-Artwork-Konzepte, die darauf warten gepickt zu werden und die ich gerne mit neuen Musikern so wie sie sind oder in abgewandelter Form umsetzten möchte. Letztens traf ich überraschend Retrogott in Leipzig, stellte mich kurz vor und sagte ihm, dass ich ihm gerne mal ein Cover bauen würde – vielleicht meldet er sich ja.

Hast du heute noch Kontakt zu Pierre Sonality und sind weitere Projekte in Planung?

Nein, mit ihm hatte ich schon kurz nach dem Release der „Magdeburg Trilogie“ keinerlei direkten Kontakt mehr. Aber mit allen anderen Musikern, mit denen ich kollaborierte, gibt es immer noch guten und regelmäßigen Austausch, der über reine Musik- & Artwork-Belange hinausgeht. Am Ende muss es halt auch immer menschlich und vom Mindset her stimmen, wenn ich mit Leuten zusammenarbeite oder weitere Projekte anstrebe. Im Umkehrschluss heißt das eben auch, dass ich Projektanfragen ablehne, wenn die Leute nicht wirklich mitziehen, ihnen die notwendige Wertschätzung bzw. Sensibilität für meine Arbeit fehlt oder wenn sie einfach nicht richtig kommunizieren gelernt haben.

Dein Collagen-Stil ist auf jeden Fall sehr klar als dein Stil erkennbar. Wie hast du ihn entwickelt?

Mein Stil ist mehr oder weniger eine Geburt des Zufalls bzw. wurde er aus der Not heraus geboren! Als ich nach Leipzig zog, wollte ich eigentlich sofort mit großformatigen Malereien anfangen, aber weil es mir an Geld für gute Farbe und den anderen notwendigen Materialien mangelte, kam ich kurzentschlossen auf die Idee, zumindest kleine Form- und Farbskizzen für zukünftige Malereien in Form von Papiercollagen zu entwickeln.

Nach 2-3 Kompositionsskizzen war ich der Technik bedingungslos verfallen und mir war sofort klar, dass diese Technik ein neuer Zugang zu neuen Bilderwelten war. Die Collage befreite mich von meinen gängigen Gestaltungsmustern und zeigte mir, dass es mir eigentlich schon immer eher um ein passendes Verhältnis von Realismus und Reduktion bzw. Abstraktion ging, und Bildmotive eher in die Bedeutungsperspektive umsetze als in klassische Perspektiv-Formen. Stilistisch war das ein Zusammenspiel aus verschiedensten Epochen und Strömungen, in denen es mir immer mehr um die Gesellschaft und um den Menschen geht, als um alle anderen Themen. Es brauchte fast 6 Jahre, bis sich die Malerei auf Grundlage von Collagen wirklich durchsetzte und erst wieder wichtig für mich wurde.

Meine Arbeiten, abseits des Cover-Designs, bezeichne ich als „New Social Realism“ oder „Neuen Sozialen Realismus“, welcher tendenziell die gesellschaftlichen bzw. menschlichen Konflikte der heutigen Zeit thematisiert und mehr Ausrufezeichen setzen will als Fragezeichen. Wie kann man als Bildermacher in dieser Zeit nicht politisch sein?!

Was inspiriert dich am meisten?

Inspiration ist natürlich etwas sehr Komplexes und Abstraktes. Ich glaube aber, dass meine Kreativität auf der Grundlage des Beobachtens, Hinterfragens und der Neugierde basiert. Die Wahrnehmung ist dabei bei jeder Person stark durch die Zeit, in der sie lebt, und die kulturellen und sozialen Einflussfaktoren im Leben geprägt.

In meinem Fall ist das kreative Spannungsfeld als Bildermacher durch zwei Gesellschaftssysteme beeinflusst und den damit einhergehenden Einflüssen aus Literatur-, Musik-, Film-, Mode- und Kunstgeschichte und dem Hier und Jetzt in einer spätkapitalistisch-globalisierten Welt.

Da entstehen natürlich zwangsläufig Fragen, Parallelen und auch Widersprüche. Diese Dinge trage ich ständig mit mir rum, sodass mir zu jeder Zeit Bilder in den Kopf schießen, wenn ich träume oder mich etwas verwirrt, aufregt oder glücklich macht. Diese Momente schreibe oder skizziere ich häufig kurz nieder und versuche sie bei passender Gefühlslage zu verdichten und mit anderen Eindrücken zu visuellen Welten zu verbinden, um nachdrückliche Statements oder Ausrufezeichen zu setzen.

Dieser Prozess kann aber auch genau andersherum ablaufen. Dann ist es ein reines aus dem Bauch heraus Arbeiten. Ich lasse mich von Gefühlen, Farben und Formen inspirieren, lasse mich leiten und erarbeite mir dann einen passen Kontext bzw. knüpfe an Vorgedachtes an.

Letztlich ist es Inspiration genug für mich konstruktive, provokative und zeitgemäße Kontexte zu erdenken, in denen relevante Fragen nach Wahrheit, Ungerechtigkeit und Schönheit (in Form und Farbe) Ausdruck finden. Dabei beziehe ich mich sehr gerne auf die Geschichte, auf Mythologisches, Biblisches, Ikonografisches, Sagen, Fabeln und auch Märchen und verforme sie in möglichst klare Statements, Allegorien und Parabeln.

Als Artwork-Gestalter habe ich natürlich nicht immer diesen hohen Anspruch bzw. die selben schweren Themen zum Ansatz, da reicht es mir auch schon mal aus, wenn ein Plattencover-Entwurf am Ende so frisch und knallig daherkommt wie ein Adidas-Jacken-Design aus den 80ern oder wenn mich eine Postergestaltung an ein collagiertes Caspar David Friedrich Gemälde 2.0 erinnert.

Dabei inspiriert mich Musik sehr stark: Rap-Musik von Rakim, Oddisee und vom 2ZG genauso wie Curtis Mayfield oder Ost-Rock von Karat, City und den Puhdys, bis hin zu Udo Lindenberg, Holger Biege oder das „Pet Sounds“ Album von den Beach Boys. Als ich das Cover zu „Magdeburg“ baute, habe ich beispielsweise die D-Seite von Peter Maffays LP „Lange Schatten“ von 1988 in Schleife gehört – no joke!

Gibt es ein CD- / Platten-Cover welches du selbst richtig gut findest?

Da gibt es einige große Cover, die ich mag und die den Platten erst die Möglichkeit gaben als Klassiker zu gelten oder die zumindest maßgeblich dazu beitrugen, dass sie diesen Status heute besitzen. Wir dürfen bei Vinyl nicht vergessen, dass es bei Musik nie nur um den Sound an sich geht: „There is more to music than meets the ear!“ schreib 1972 bereits der Autor Richard DeVinney.

Und das ist eben auch ein visuelles Gefühl bzw. ein visueller Flavor oder Stil, der die Musik über das Gehörte hinaus ebenso prägt und nach außen hin repräsentiert.

Ich meine, hätten Bruce Springsteens „Born in the USA“, Dr. Dres „The Chronic“, Pink Floyds „Darkside of the Moon“, The Sex Pistols’ „Never Mind The Bollocks“, Kraftwerks „Autobahn“, Steely Dans „Aja“ oder A Tribe Called Quest „Midnight Marauders“ je diese Durchschlagskraft entwickelt und ihren Klassiker-Status erhalten, ohne ihr absolut passendes, progressives und symbolhaftes Artwork? Ich denke das eben nicht. Und hinter diesen Covern stecken immer auch Künstler bzw. findige Gestalter und Grafiker, die zwischen der Musik und der Gestaltung eine ästhetische Einheit und eine verständliche Sprache schaffen, und die mitunter den Zeitgeist für ein Genre oder sogar den Zeitgeist einer ganzen Generation definieren oder prägen können.

Das Cover ist eben nicht nur eine reine Illustration, ein Foto oder Schrift, sondern Sinn-, Vibe- und Symbolträger der Musik zugleich und das kann man gar nicht genug betonen, denn das Cover bleibt im Kopf.

Ich persönlich kaufe meine Lieblingsmusik auch nur auf Vinyl, wenn mich das Cover überzeugt. Musik sollte eben auch ein visuelles Statement setzen. Es muss ja nicht immer ein Manifest sein, aber eine gewisse Wertschätzung sollte jeder Musiker auch seinem Cover entgegenbringen und im besten Fall Leute mit Expertise und Verständnis für Form und Gestaltung mit ins Boot holen.

Es ist ja nicht so, als ob das etwas ganz Neues wäre. Es wird nur zu wenig darüber gesprochen und deswegen fühlte ich mich berufen Ende letzten Jahres meine ganz persönlichen „Best Rap-Artworks 2017“ zusammenzustellen und zu kommentieren, um überzeugendes Design und ihre Gestalter gerechterweise in den Fokus zu rücken. Da gehe ich auf das Thema noch etwas genauer ein. Ach ja, im Moment finde ich das Cover-Design von Black Milks neustem Album „Fever“ und Surly’s EP „Trip to Warsaw“ klasse – so unglaublich frisch und zeitlos!


Foto: (c) mindtdesignstudio

Der Beitrag „Cover sind Sinn-, Vibe- und Symbolträger der Musik zugleich“ – Pierre von Helden über seine Artworks für Pierre Sonality erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.


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