Wir bekamen mit, wie Kaas ihn übers Netz suchte und seine musikalische Reise begann. Nach den Alben „Raop“ und „Melodie“ ist nun seit ein paar Tagen die neue Langspielplatte „tru.“ draußen. Wir haben reingehört.
Review
Während mir die letzten Releases auf Dauer etwas zu poppig waren, ist „tru.“ erwachsener und ruhiger, aber definitiv nicht weniger hitlastig. Das Album beginnt mit dem Track „kapitel 1“. Cro zählt auf, was bis dato passiert ist und bedankt sich bei allen, die ihn bis hierhin begleitet haben. Doch im ersten Track wird deutlich, dass er sich nicht die ganze Zeit selbst feiert, sondern alles mit einem gewissen Abstand betrachtet. Im Endeffekt braucht er einfach nur „love“ und vielleicht einfach mal Urlaub.
„forrest gump“ ist ein Einblick in seine Vergangenheit. Das erste Mal rauchen, das erste Mal um die Häuser ziehen, der erste Sex, die erste Liebe, das erste Mic und noch viele weitere erste Male.
„Und Papa sagte mir mach’ lieber was Solides, irgendwas mit Perspektive, statt ausschließlich Kreatives.“
Wie wir alle wissen, hat Cro – glücklicherweise – nicht auf seinen Papa gehört. Aus dem Kinderzimmer wurde mittlerweile eine dicke Villa und das alles innerhalb weniger Jahre und einer Menge Talent. Die Hook wird von Patrice gesungen, seine markante Stimme und das vinylartige Knistern des Beats runden die Flashback-Stimmung ab.
Der Track „fkngrt“ kommt soundtechnisch nah an die älteren Cro-Songs ran und ist doch irgendwie anders. Gute Vibes und das Leben feiern stehen im Fokus. „tru“ – der Titeltrack des Albums – beschreibt seine Lebenseinstellung. Geld ändert vieles, aber er hängt immer noch mit den gleichen Freunden ab wie früher. Denn alle sind sich, der Freundschaft und ihren Werten treu geblieben. Ich glaube, das ist eine Eigenschaft die man Cro – und auch seinen Freunden – hoch anrechnen kann. Er ruht sich nicht auf seinem Erfolg und die damit verbunden Annehmlichkeiten aus, sondern zieht seine Crew mit.
Video: Cro – „Baum“
Angeblich sieht man, kurz bevor man stirbt, sein Leben an sich vorbeiziehen und genau diese Gedanken kurz vor einem Unfall sind das Thema von „baum“. Er versucht nicht zu spät zu Verabredungen zu kommen, rast deshalb mit dem Auto, kommt von der Straße ab und steuert direkt auf einen Baum zu. Dabei gehen ihm verschiedene Erinnerungen durch den Kopf. All das wird auf eine stressfreie und doch emotionale Weise erzählt. Das Reumee ist, dass er einfach ein gutes Leben gelebt hat. Ich hoffe, das kann jeder von uns irgendwann sagen. Soundtechnisch wird das ganze Unfallszenario gut erzählt und lässt das eigene Kopfkino beginnen.
Jeder Künstler möchte einen Fußabdruck in der Geschichte hinterlassen und somit „unendlichkeit“ erlangen. Genau das ist das große Ziel, das den Typen mit der Pandamaske antreibt. Das ist nicht mit Geld und fancy Scheiß zu erreichen. Schon für uns „Normalos“ ist die Suche nach der Liebe keine leichte Sache, doch als Star ist es vermutlich noch schwieriger. Cro hat sich auch mal bei Tinder versucht und gemerkt, dass es nichts für ihn ist. Nach der ersten Faszination ist er dann doch abgeschreckt, da es die Frau ihm dann doch zu leicht macht und sich sofort mit ihm treffen würde. Sie daraufhin aber als „Slut“ zu betiteln ist mir dann doch zu oberflächlich. Ansonsten besteht der Track zu 50% aus dem Instrumental und lässt so genug Interpretationsspielraum für eigene Gedanken. Nachdem das mit Tinder und ihm nicht so geklappt hat, versucht er sich eine eigene Frau zu programmieren. Doch die „no. 105“ ist nicht die wahre Traumfrau, denn all der Perfektionsmus ist am Ende doch der Fehler, da sie zu perfekt und somit zu langweilig ist.
Wie gut man eine Unterhaltung mit Siri in einen Track einbauen kann, beweist Cro auf „0711“. Doch auch Selbstzweifel und die Suche nach eigenen Werten gehören zum Älterwerden dazu:
„Und ich frag mich: bin ich schlecht, weil ich ’n Mädchen nicht Text‘ nur weil sie ein bisschen blöd ist? Und es dann doch tu, weil sie schön ist, und ihr danach sag, es wird nichts.“
Mein persönliches Highlight ist das Feature mit Ace Tee. Beide bringen mit „slow down“ das 90er-R&B-Feeling ins Jahr 2017. In stressigen Phasen sehnt sich Cro nach Ruhe und wenn er dann zur Ruhe kommt, merkt er, wie rastlos er ist und wie sehr er den ganzen Trubel braucht.
„Ich lieb die Ruhe, bis sie mich wieder mal erschlägt.“
Die Hook von „2kx“ erinnert mich leicht an die Hook von „1ste Liebe“ von Max Herre und Joy Denalane.
Fazit
Insgesamt beschäftigt sich das Album mit den Themen Freundschaft, der Suche nach wahrer Liebe, Fernweh, Selbstzweifeln und des Innenhalten, bei dem Cro bemerkt, was er alles erreicht hat und wie verrückt das eigentlich ist. Zwischen schnellem Sex, Partys und Jetset-Leben merkt er, dass all das nicht glücklich macht, wenn seine Freunde oder die Familie unglücklich sind. Es gibt keine großen Phrasendrescherei, große Rap-Techniken und Flow-Wechsel und doch zieht mich das Album von Anfang bis Ende mit in seinen Bann.
Es gibt mehr Inhalt und weniger Oberflächlichkeit. Die Sounds haben Zeit zu wirken, sind aufeinander abgestimmt und ob die Songs unfassbar lang sind oder nicht, spielt einfach keine Rolle. Persönliche Geschichten werden erzählt, genauso wie persönliche Worte an die eigenen Eltern. Das Album ist melancholischer, reflektierter und nicht mehr nur rosarot. Es wirkt erwachsen und steckt voller Fragen „Wo will ich hin?“, „Wer will ich sein?“ und „Was wäre wenn?“. All das sind Fragen, die uns alle immer wieder beschäftigen und mit „tru“ haben wir den passenden Soundtrack dafür.
„Schätz’ ich hab Schiss, dass mich diese Welt mal nicht vermisst. Doch man ist lange noch nicht tot, wenn man stirbt. Nein, man lebt bis der letzte dich vergisst.“
Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses Album Cros Schritt in die Unendlichkeit ist.
Video: Cro – „Unendlichkeit“
Stream: Cro – „tru.“
Cover + Tracklist: Cro – „tru.“
01. kapitel 1
02. Tipp: forrest gump feat. patrice
03. fkngrt
04. tru
05. hi
06. todas feat. wyclef jean
07. baum
08. unendlichkeit _main edit
09. computiful
10. no. 105
11. noch da
12. paperdreams
13. fake you. feat. ivy sole
14. alien
15. Tipp: 0711
16. Tipp: slow down feat. ace tee
17. 2kx
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Foto: © Saeed Kakavand (Chimperator Productions)
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