Danny Brown im Selbstzerstörungsmodus: Mit „Atrocity Exhibition“ liefert der aus Detroit stammende emcee nach dreijähriger Abstinenz sein viertes Studioalbum und enthüllt ein Leben zwischen Depression und Exzess.
Album Facts
- 15 Tracks
- Release Date: 28. September 2016
- Features: Petite Noir, Kendrick Lamar, Ab-Soul & Earl Sweatshirt, Kelela, B-Real
Einleitung
Googlet man im weltweiten W nach „Atrocity Exhibition“, spuckt der amerikanische Suchmaschinen-Riese mehrheitlich Ergebnisse zu dem gleichnamigen Joy Division Song und Buch des britischen Autoren J.G. Ballard aus. Das Buch erzählt die Geschichte eines Doktors, der durch die medialen Einflüsse der Außenwelt in eine schwere Psychose verfällt. Die Geschichte wird dabei so verwirrend, dass der Leser nicht konsequent folgen kann, was der Protagonist tatsächlich erlebt und was er sich einbildet. Die englische Band Joy Division hingegen prägte die Post-Punk-Ära in den späten 70er Jahren bis sich Lead-Sänger Ian Curtis aufgrund schwerer Depressionen – ausgelöst durch eine Scheidung und Epilepsie – im Jahre 1980, das Leben nahm.
Wir wissen also was uns Brown sagen möchte und ahnen wo die Reise auf „Atrocity Exhibition“ hingeht…
Review
Auf dem Album lässt der emcee mit der sympathischen Zahnlücke alle Hüllen fallen. Denn, hört man genauer hin, beginnt der Hobbypsychologe im Hörer sich ersthafte Sorgen um den Geisteszustand des Herrn Brown zu machen. Der Mann aus der Motor City nimmt den Hörer mit auf eine Tour aller denkbaren Begleiterscheinungen eines übermäßigen Drogenkonsums: Herzrasen, Nasenbluten, kribbeln im Fuß oder epilepsie-artige Zustände. Er ist endgültig dem Außerkontrolle-Rock-Star-Lifestyle erlegen. Für den Aufnahmeprozess zog es Brown, wie einst David Bowie, ins Exil. Die LP wurde vollständig in der englischen Hauptstadt fertiggestellt.
Gleich zu Beginn erzählt Brown von schweren Depressionen, die ihn dazu zwingen sich in seine vier Wände einzuschließen und er die Tür nur noch für den Nachschub vom Ticker öffnet („Downward Spiral“). Brown lebt ein Leben mit nicht enden wollendem Kater.
Everybody say, you got a lot to be proud of
Been high this whole time, don’t realize what I done
Cause when I’m all alone, feel like no one care
Isolate myself and don’t go nowhere
Smoking blunt after blunt, til my eyes start burning
Hennessy straight got my chest like a furnace
Der Soundteppich wurde insbesondere vom Londoner Produzenten und Edel-Digger Paul White geknüpft, mit dem Brown bereits für „XXX“ und „Old“ gemeinsam im Studio war. Und dieser hat es in sich: Das Album ist gepickt mit herausstechenden Samples aus der Post-Punk-Ära, einem Genre, welches Eindeutig vom Punk-Sound geprägt ist, sich jedoch experimentierfreudig zeigt und, schlussendlich, den Weg zum Alternative Rock geebnet hat. Der Post-Punk-Einfluss spiegelt sich insbesondere in „Dance in the Water“ und „Ain’t it Funny“ wider. Tracks, bei denen der Hörer nahezu automatisch beginnt wild zu zappeln.
Für „White Lines“ greift The Alchemist in die Trickkiste und zaubert einen herrlich-bescheuerten Beat heraus auf dem der Detroiter, man ahnt es vielleicht, der Verlust der Selbstkontrolle aufgrund der Einnahme unterschiedlicher Drogen detailliert beschreibt. Auffällig ist, das es Brown schafft, den Konsum weder zu glorifizieren, noch zu entschuldigen. „Today“ konfrontiert ihn mit dem Gedanken, dass wir alle irgendwann das Zeitliche segnen und der Tod an jeder Ecke lauern kann. Momente der Hoffnung sind rar, lediglich auf „From the Ground“ reflektiert Brown über den erfolgreichen Indie-Rap-Werdegang.
Danny Brown schwimmt mit Sound und Stimme noch immer gegen den Strom. Er ist ständig high, fühlt sich aber – vielleicht genau deshalb – ständig low. Grundsätzlich bietet „Atrocity Exhibition“ thematisch also nichts neues. Wir wussten bereits zuvor, dass der „Adderall Admiral“ „Blunt after Blunt“ raucht, dies häufig zum „Kush Coma“ führt und er den Tod eines Rockstars sterben wird. Auf „Atrocity Exhibition“ jedoch gewährt der Mann mit der schrägen Stimme erstmals einen tiefen Einblick in sein Seelenleben und schafft es das Gesprochene mit dem richtigen Soundtrack zu verbinden. Wohingegen „XXX“ und „Old“ das Ganze in EDM- oder Trap-Klopper verpackten, bildet der Sound auf „Atrocity Exhibition“ den perfekten Hintergrund für seine Nahtoderfahrungen, Depressionen und Exzesse. Wie die Gefühlslage des Künstlers springt der Sound von Depression in Punk-Exzess.
Fazit
Mit „Atrocity Exhibition“ liefert Danny Brown eine der spannendsten LP’s des Jahres 2016 und setzt ein Ausrufezeichen in seiner Diskografie. Wir wünschen ihm gute Besserung und empfehlen ihm die Einweisung in eine Entzugsklinik!
Stream
Tracklist & Cover
01. Downward Spiral
02. Tell Me What I Don’t Know
03. Rolling Stone (featuring Petite Noir)
04. Really Doe (featuring Kendrick Lamar, Ab-Soul & Earl Sweatshirt)
05. Lost
06. Ain’t It Funny
07. Goldust
08. White Lines
09. Pneumonia
10. Dance In The Water
11. From The Ground (featuring Kelela)
12. When It Rain
13. Today
14. Get Hi (featuring B-Real)
15. Hell For It
Der Beitrag Danny Brown – „Atrocity Exhibition“ (Review + Stream) erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.