In der Kategorie “5 Fragen zum Album” stellen wir euch ausgewählte Musik-Künstler und ihre bald erscheinenden oder vor kurzem veröffentlichten Alben vor. Grundlage sind 5 kurze und knackige Fragen. Heute mit Martin Meiwes und seinem Release „Nächste Station“.
Einleitung
Wenn man an Rap aus Minden denkt, kommt man um das Hip-Hop-Urgestein Curse nicht herum. Danach folgt für viele erst mal nichts. Doch Martin Meiwes ist der beste Beweis dafür, dass es unter dem Mindener Hip-Hop Radar weitere, talentierte Künstler gibt.
Im Oktober 2013 kam Martin’s letztes Release „Letzte Mission“ heraus (wir berichteten). Seitdem wurde es zunehmend stiller um den Rapper. Dachten wir zumindest, denn Anfang März diesen Jahres veröffentlichte Martin in kompletter Eigenregie seine LP „Nächste Station“, die zunächst in Eigenregie und später von hhv.de vertrieben wurde.
An dieser Stelle müssen wir uns bei dem Mindener bedanken – denn ohne seine Kontaktanfrage wäre dieses Album komplett an uns vorbeigegangen. So kam es, das wir ihn – wenn auch etwas verspätet – zum Interview baten, in dem wir über das Album und viele weitere Themen sprachen.
Stream
Album Facts
- 14 Tracks
- Releasedate: 03. März 2015
- Features: Wack, Comar, Manew, Raw, Kropock, Boykott, Sailenz, Terrapoyt, DHP 4 None, Pru
- Produzenten: Cut Spencer, Pawcut (Artist Feature #128), Kropock, Ordinary Roots, Mr. Smooth, Raw, Kallsen, Brik, BCK.Beats
- Erhältlich: Digital (4 Tracks), CD und Vinyl
Interview
In Anlehnung an dein vorheriges Album: Wie kommt man von einer „letzten Mission“ zur „nächsten Station“?
Das ganze ist ja eigentlich eine Trilogie. Die 3 Alben heißen „Eskalation“, „Letzte Mission“ und „Nächste Station“. Damit wollte ich aussagen, dass die Alben irgendwie zusammengehören und da sind, um klarzustellen, wofür meine Musik steht. Die „Letzte Mission“ ist dabei entscheidend und verdeutlicht mein HipHop am stärksten. Rap findet immer im Kontext von allen Elementen statt. Ohne Kontext zur HipHop Kultur ist es nur belangloser Sprechgesang.
„Nächste Station“ ist die Geburt einer Platte. Ich habe längerfristig mit Konzerten und Tonträgern darauf hingearbeitet eine Hörerschaft zu erreichen, dass eine Vinylpressung überhaupt realistisch wird. Vinyl ist für mich der Real Deal und das absolute Medium für Rap, so wie Graffiti auf Züge gehört.
Auf deinem Cover ist das Filmtheater „Streit’s“ in Hamburg abgebildet. Wie kam es dazu?
Das Foto hat Alexander Pfeiffer gemacht. Ein von mir sehr geschätzter Fotograf. Mit seinen Fotos hält er Urbanes Leben zwischen New York und Dubai fest. Er hat mir eine Reihe Fotos für das Plattencover geschickt. Im Bruchteil einer Sekunde, ist mir dieses Foto aufgefallen. Erst auf dem zweiten Blick habe ich festgestellt, dass es sich um Hamburg handelt, meine absolute Lieblingsstadt.
Ich vermute mal, dass es an Neujahr entstanden ist, weil auf dem Bürgersteig Flaschen und Raketen herumliegen. Es passiert einfach soviel auf diesem Bild, dass es gut zu der Euphorie im Zusammenhang mit meiner ersten Vinyl-Veröffentlichung passt. Das Filmtheater hat keine tiefere Bedeutung für mich.
Worum geht es in „Nächste Station“? Wie lautet der musikalische und thematische rote Faden?
Der rote Faden ist dadurch entstanden, dass ich mir überhaupt bewusst gemacht habe, was ein roter Faden eigentlich bedeutet. Vorher war mein Anspruch, lyrisch mit Reimdichte und versteckten Reimen aufzufallen. Dementsprechend habe ich mir einfach Beats ausgesucht, die mir gefallen. Erst als ich mehrfach auf einen fehlenden roten Faden angesprochen wurde, habe ich überlegt, was das bedeutet und erstmals bei diesem Album berücksichtigt.
Für mich ist wichtig, dass politische Botschaften in HipHop eingebunden sind. Ich weiß nicht, ob man mich Polit-Rapper nennen kann, aber die Wurzeln von HipHop sind immer politisch gewesen, wenn man sich seinen Ursprung klarmacht. Ich würd mich als Privatperson als linksradikal bezeichnen, daher finden kritische Inhalte immer einen zentralen Platz auf den Album. Was jedoch im Vordergrund steht, ist die Verbundenheit mit HipHop. Ich hab diesmal mehr drauf geachtet, dass die Beats sich nicht vom Boom Bap Sound entfernen. Der akustische Slogan war organische Drums und keine hektischen Highhats.
Was die Auswahl der Features und Produzenten angeht hast du es ziemlich familiär gehalten. Eine bewusste Entscheidung?
Raw mastert alle meine Alben, das war bisher immer so und wenn nichts absurd Verrücktes passiert wird das auch so bleiben. Auch Pawcut und Cut Spencer haben bisher immer was zu den Releases beigesteuert und den Sound geprägt. Das sind die Konstanten in allen Alben und ein Umfeld mit dem ich mich wohl fühle.
Bei den Features ist für mich entscheidend, dass es alles Leute sind, zu denen ich persönlichen Draht habe. Mit einer Ausnahme kenne ich auch alle fernab vom digitalen Leben. Für mich ist wichtig, dass ich nicht in 5 Jahren auf das Album kucke und mich frage: „Warum hast du eigentlich damals was mit diesem Spinner gemacht?!“. Das wird bei dieser Gästeliste nicht der Fall sein und ich bin mir sicher, dass keiner davon eine 180°-Wendung macht und auf einmal Schlager singt, MC Donalds Werbung macht oder Castingshows bedient.
Ich hasse solche Leute nicht automatisch, aber ich möchte sie ungern auf meinen Alben haben. Die Kunst ist offen zu bleiben gegenüber allen Kunstschaffenden und gleichzeitig drauf zu achten, dass man gemeinsame Untergrund-Werte vertritt. Um Dende zu zitieren: „Ich halt nicht viel von Faustregeln, jeder soll sein‘ HipHop Haussegen selbst auspegeln.“
Knapp fünf Monate sind seit dem Release inzwischen vergangen und du bist mit dem Album ziemlich rumgekommen. So warst du unter anderem auch auf Tour mit Terrapoyt und Raw. Wenn du heute zurückblickst: Wie fällt dein Resümee aus?
Unterm Strich: alle Ziele erreicht. Ich spiele überwiegend in autonomen Clubs und der Antifa Szene. Terrapoyt, Raw und ich sind sehr unterschiedlich, aber unser kleinster gemeinsamer Nenner ist, dass wir alle gesunden Menschenverstand haben und Publikum abholen, auch ohne Mutterzerfick-Texte.
Raw konnte zeigen, dass ein Produzent auch solide rappen kann und Terrapoyt ist lyrisch unvergleichbar. Die ersten Konzerte waren sehr cool besucht und ich hab in knapp 2 Monaten die Hälfte der Platten unter die Leute gebracht. Dann kam der Hochsommer und einige Konzerte waren wetterbedingt wenig besucht, jetzt ohne mir was schön reden zu wollen. Bei 30° will ich selbst auch lieber am See liegen, als im Club zu schwitzen. Es hat sich aber immer gelohnt. Neue Städte sehen, Fernfreundschaften am Leben erhalten, zusammen trinken bis zum Morgengrauen, dafür sind wir immer zu haben.
Jetzt ist die Tour vorbei und jeder macht wieder sein eigenes Ding. Ich will weiterhin den Fokus auf Live-Konzerte legen und mir wieder Zeit nehmen, um eine neue Platte aus dem Boden zu stampfen. Aber gut Ding will Weile haben.
Das eigene Album über einen Vertrieb veröffentlichen ist ja Gang und Gäbe. Du hast dich zunächst dagegen entschieden, später dann allerdings hhv.de ins Boot geholt. Wie hat sich das ergeben?
HHV und Vinyl Digital waren von Anfang an eingebunden. Es kam lediglich zu einer Verzögerung, die keiner der Seiten wirklich zu verschulden hat. Aber ich stehe auch drauf, Abends Mails zu lesen und Shirts und CDs zu verschicken. Solange die Arbeit das nebenbei zulässt, ist das kein Problem.
Wenn ich ein Päckchen in eine Stadt verschicke, die ich noch nie zuvor gehört habe, freue ich mich wie ein Irrer darüber, dass da jetzt irgendwo jemand sitzt und meine Musik hört. Im Vorfeld des Albums waren auch 2 mittelgroße Labels im Gespräch, aber es blieb bei einem kurzen Austausch. Mit einem kleinen aber feinen Label namens Staubsound habe ich letztendlich für „Nächste Station“ ein Zuhause gefunden und es fühlt sich gut an.
„Nächste Station“ ist deine erste Vinyl-Veröffentlichung. Im Zuge dessen hast du gesagt, dass es schon immer ein Traum für dich gewesen ist, deine Stimme mal auf Vinyl zu hören. Was macht deiner Meinung nach den Reiz einer Schallplatte aus, sodass sie sich auch 2015 noch immer großer Beliebtheit erfreut?
Ich selbst habe diverse Platten, aber leider keinen eigenen Plattenspieler. Das sind für mich nicht nur Tonträger sondern auch Erinnerungsstücke. Ich hole mir Vinyl auf Konzerte von MCs, die ich richtig abgefeiert habe. Wenn ich dann Kollegen besuche, die einen Plattenspieler haben, nehme ich die Platten mit und zelebriere das richtig. Da passiert auch drumrum nichts Weiteres außer, dass man aktiv Musik hört.
Etwas Physisches in der Hand zu haben hat ja einfach mehr Wert, als eine Datei bei iTunes runterzuladen. Ich verteufel auch keine Djs die alles digitalisiert haben, aber mit Plattenkiste aufzulegen hat einfach mehr Style. Dieses Medium Viny lebt und verändert sich. Nach zwanzig Jahren hardcore-hören bleibt einem vielleicht nur noch ein schönes Cover, aber das gehört zur Momentaufnahme. Das macht Musik aus.
Wenn du jemand unbekanntem nur ein Lied von deiner Platte zeigen könntest um sie zu beschreiben – welcher wäre das?
Das hängt von meiner Stimmung ab. Im Moment würde ich sagen „Übermorgen“ mit einem Pawcut Beat. Mit dem Track auf den Ohren kann man durch die Stadt gehen und egal wie viel Leute sich durch die Innenstadt drängen, man lässt sich nicht vom Kurs abbringen. So nach dem Motto: Egal wie oft ich angerempelt werde, ich gehe trotzdem wohin ich will.
Tracklist
1. Intro
2. Übermorgen
3. Songschreiber
4. Der Große Showdown
5. Kerle mit Tattoos feat. Wack
6. Unterholz feat. Comar, Manew, Raw, Kropock
7. Genug bewiesen
8. Kallsen vs. Pawcut (Skit)
9. Handycap feat. Boykott
10. Hoch die Kannen
11. Diese Tropfen feat. Sailenz, Terrapoyt, DHP 4 None, Pru
12. Kaffeetassen
13. Streitgespräche
14. Namen schreiben
Das Album könnt ihr direkt bei Martin ordern.