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„Battleground Germany“– Film über die Faszination Battlerap in Deutschland (Interview)

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Film Fatal präsentiert Deutschlands ersten Battlerap Dokumentarfilm – „Battleground Germany.“ Zu diesem Zweck reiste das Produktionsteam um Jan-Christoph Öhlenschläger, Johannes Neinens und Julian Schöneich quer durch Deutschland und holte die wichtigsten Akteure vor die Kamera.

Zu Wort kommen unter anderem Dudes wie Damion Davis, Fresh Polakke und Tierstar Andrez. Unterstützt wird das Team um Film Fatal dabei von „Rap Am Mittwoch“ und „Don’t Let The Label Label You“. Der Film zeigt, was sich vor, während und nach einem Battle abspielt – auf der Bühne und im Hintergrund. Wie bereitet sich ein Battle MC vor? Wo und wie entstehen die Battles? Wir können eindrucksvoll nachempfinden, wie viel Energie die Künstler in das stecken, was sich in Deutschland immer größerer Beliebtheit erfreut. Wir sprachen mit den drei Produzenten über das Projekt.

Interview

Um was geht es in „Battleground Germany?“

Julian: In Battleground Germany geht es um die Entwicklung der deutschen HipHop- Szene in den letzten 30 Jahren – mit dem Schwerpunkt Battlerap.

Jan-Christoph: Es ist eine Art Oral History des Battleraps. Was der Film zeigt, ist im Prinzip das Resultat einer generationsübergreifenden Befragung von Zeitzeugen, die auf allen Ebenen klarmachen, was hinter der Faszination Battlerap in Deutschand steckt.

Wie lange habt ihr an dem Film gearbeitet und wie konntet ihr ihn finanzieren?

Julian: Wir arbeiten seit fast zwei Jahren an dem Film und hatten in dieser Zeit ca. 60 Drehtage. Dafür haben wir mit gut 50 Rappern, Aktivisten, Veranstaltern und Wissenschaftlern Interviews geführt. Es ist ein sehr komplexes Thema, dem wir auch gerecht werden wollen. Da braucht eben alles seine Zeit.

Der Film hat inzwischen drei Produzenten, die alle einen Teil beigesteuert haben, um Reisekosten und Equipment zu finanzieren. Ansonsten sind alle Mitwirkenden vor und hinter der Kamera ehrenamtlich dabei, weil sie an das Projekt glauben.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, „Battleground Germany“ anzugehen?

Julian: Ich hatte gerade meinen letzten Film „St. Pauli Zoo“ abgedreht (Trailer) und war auf der Suche nach einem Folgeprojekt. Zu dieser Zeit habe ich mir manchmal Rap-Battles angekuckt, allerdings fand ich das, was hinter der Bühne passiert, eigentlich viel interessanter. So ist die Idee entstanden, eine hintergründige und durchaus auch kritische Doku über die deutsche Battlerap-Szene zu drehen.

Jan-Christoph: Da wir auch privat oft zusammen abhängen und über viele Jahre mitverfolgt haben, wie sich Battlerap als subkultureller Bestandteil von HipHop zunehmend zu einer Szene in der Szene entwickelt hat, hatten wir von Anfang an immer auch ein persönliches Interesse daran, einen solchen Film zu machen.

Johannes: Julian Schöneich und Janne Öhlenschläger haben mich überzeugt, bei diesem Projekt mitzumachen. Rap Musik an sich auch. Zu Beginn der Dreharbeiten war ich noch skeptisch was die Battlerapszene betrifft. Hatte mich jedoch bis dahin nicht sehr viel mit diesem Genre beschäftigt. Ich hatte insgeheim etwas Sorge, dass ich zur Mitte der Dreharbeiten von allem, was Battlerap betrifft, schwer genervt sein könnte. Doch das Gegenteil war der Fall.

Gab es bestimmte Fragen, die der Film beantworten sollte? Genauer gefragt: Soll dieser Film Battlerap in die Gesellschaft bringen?

Julian: Der Film versucht zu vermitteln, wo der heute populäre Live-Battlerap herkommt und führt dabei etwas durch die Geschichte der Entwicklung von HipHop in Deutschland. Wahrscheinlich funktioniert er perfekt als Einstiegsdroge ins Battlerap-Universum.

Jan-Christoph: Menschen lieben es, wenn zwei sich streiten und amüsieren sich gerne auf Kosten anderer – am liebsten in Gesellschaft. Das war schon immer so. Trotzdem macht es irgendwie einen Unterschied, ob sich Frauke Petry und Horst Seehofer oder Kollegah und Fler gegenseitig anschreien. Wir untersuchen ein kulturelles Phänomen, das mehr Hintergrund hat, als man im ersten Moment vielleicht vermuten mag.

Johannes: Der Film kann helfen, zu verstehen, was Battlerap ausmacht. Und es ist bestimmt auch spannend zu sehen, wie in der Battlerapscene mit Konflikten umgegangen wird.

Habt ihr beim Titel bewusst auf eine Wrestling-Referenz angespielt?

Julian: Der Titel war nicht gezielt auf Wrestling ausgelegt, aber der Vergleich liegt natürlich nahe. Im Gegensatz zum Wrestling ist Battlerap nicht gestellt. Ich würde es eher als psychischen Kampfsport einordnen. Die Idee zum Titel stammt übrigens von Basstard. Wir haben über mögliche Titel geredet und er meinte: „Nennt ihn doch Battleground“. Erst haben wir überlegt, den Film „Fick deine Mutter!“ zu nennen, aber das war uns dann doch zu krass.

Johannes: Ich bin heilfroh, dass es nicht der zweite Titel geworden ist. (lacht)

Wie steht ihr eigentlich persönlich zum Live Battlerap?

Julian: Ich finde es einfach unglaublich unterhaltsam, wenn es gut ist. Wie ein Boxkampf oder Fußballspiel für Leute, die gern Rap hören und Wortspiele mögen.

Johannes: Live Battlerap hat mich vorher nicht wirklich interessiert. Doch ich war sehr überrascht, wie gut all diese Veranstaltungen organisiert sind. Auch die einzelnen MCs waren meist extrem gut vorbereitet. Die unterschiedlichen Techniken sowie Disziplinen und Herangehensweisen sind spannend.

Jan-Christoph: Die Battle-Mentalität war im Hip Hop von Anfang an stark ausgeprägt und gerade die Tradition des Battleraps galt und gilt bis heute als zentraler Mittelpunkt der Kultur. In Fachkreisen unterhält man sich heute noch über legendäre Wortgefechte, die damals aber niemand gefilmt hat. Ich finde es auf jeden Fall großartig, dass es heute all diese Formate gibt und man sich richtig geile Battles im Netz immer wieder angucken kann. Natürlich bin ich als alter Hase dann aber doch am liebsten mittendrin statt nur dabei und guck mir auch derbe gerne DJ Battles an oder ziehe mir Breakdance-Contests rein. Wenn sich zwei Leute mit Leidenschaft verbal duellieren, scheint das die Crowd aber wohl nochmal eine Ecke mehr zu flashen.

Wie habt ihr die Künstler ausgewählt, die im Film zu Wort kommen?

Julian: Wir haben erst ein Konzept und einen roten Faden entwickelt, mit Themen, die wir unbedingt abdecken wollten. Danach haben wir uns dann überlegt, wer Teile dieser Geschichte am besten erzählen kann. Mir war wichtig, ein breites Spektrum an Meinungen abzudecken und keinen reinen Battlerap-Werbefilm zu drehen. Eigentlich hat fast alles geklappt, was wir uns vorgenommen hatten. Manche Interviews haben sich dann auch einfach spontan vor Ort ergeben.

Jan-Christoph: In den Interviews wurde auch immer mal wieder auf andere Künstler oder Personen verwiesen, die wir dann angefragt haben. Parallel haben wir natürlich auch permanent weiter recherchiert und so kam es dann auch, das wir einen Sprachwissenschaftler interviewen konnten. Auf jeden Fall ist alles organisch gewachsen.

Welche Künstler haben euch besonders überrascht, begeistert oder auch fasziniert?

Julian: Wir hatten einen Drehtag in der UFA-Fabrik, wo Rap Am Mittwoch entstanden ist. Mit dabei waren B-Tight, Ben Salomo, Tierstar, Damion Davis, Basstard und Cihan. Die waren dort alle über 10 Jahre nicht mehr, haben sich teilweise länger nicht gesehen und es ist tolles Material entstanden.

Jan-Christoph: Sehe ich auch so. Das war der Schokosplitter auf der Sahne auf dem Eis. Und wir sind die einzigen, die live dabei waren. Alle anderen müssen auf den Film warten.

Johannes: Jeder Künstler war auf seine Art recht faszinierend. Klasse, dass alle die Dreharbeiten so gut unterstützt haben.

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Hat sich euer Bild vom deutschen Live Battlerap nach der Produktion verändert?

Julian: Uns hat überrascht, wie friedlich die Events ablaufen und wie respektvoll die Rapper miteinander umgehen. Es wird zwar ständig davon geredet, wie famliär die Szene ist, nr auf YouTube kommt das nie so ganz rüber. Daher kann ich nur jedem empfehlen, mal Live bei einem Battle dabei zu sein.

Johannes: Im Laufe der Dreharbeiten hat mich überrascht, wie viel Humor das Publikum und auch die MCs mit sich bringen. Ich bin deutlich entspannter geworden, was den Umgang mit Worten betrifft.

Jan-Christoph: Auch ich muss sagen, dass ich heute zum Beispiel anders über den durch Berliner Battlerap verursachten Wandel Anfang 2000 denke. Damals konnte ich damit echt nichts anfangen und hab gehofft, dass die gute, alte Hamburg-Stuttgart-Achse sich durchsetzt.

Für den Film habt ihr mit „Rap am Mittwoch“ und „Don’t Let The Label Label You“ zusammengearbeitet. Wo seht ihr die Unterschiede zwischen den beiden Formaten?

Julian: In erster Linie sehe ich den Unterschied bei der Präsentation. Während bei „Rap Am Mittwoch“ mit dem Mikrofon auf der Bühne gebattelt wird, finden die Battles bei „DLTLLY“ meist ohne Mic direkt im Publikum statt. „Rap Am Mittwoch“ wirkt durch die technische Aufbereitung des Materials zugänglicher und vielleicht auch Massentauglicher, während „DLTLLY“ immer diesen Underground Touch hat. Ich denke, das sich beide Formate ganz gut ergänzen und trotzdem irgendwo auch konkurrieren, was das ganze interessant macht.

Jan-Christoph: Die Unterschiede offenbaren sich bereits, wenn man „Rap am Mittwoch – hol‘ dir dein Fame“ und „Don‘t let the label label you“ gegenüberstellt. Beides hat was. Mehr dazu im Film.

Darauf aufbauend: Wo liegen die Unterschiede zu internationalen Formaten wie „KOTD“ oder „Don’t Flop“?

Julian: Ich denke, „Brian Damage vs. Mr. Tongue Twister“ und „Tierstar vs. Dizastar“ haben gezeigt, dass sich die deutschen Formate international nicht zu verstecken brauchen. Ich würde mich freuen, wenn es mehr internationale Matches mit deutscher Beteiligung geben würde.

Jan-Christoph: Ich bin auch der Meinung, dass wir stolz auf unsere Szene sein können. Sicherlich ist die Größenordnung eine andere, aber das Qualitätslevel ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Meine Freundin hat mir neulich italienische Rap Battles gezeigt und ich muss sagen, dass da bei uns deutlich mehr geht.

Kann Live Battlerap hierzulande einen ähnlichen Stellenwert wie in den USA oder Kanada erreichen?

Julian: Der Red Bull Soundclash mit Haftbefehl und Sido ging ja schon in die Richtung. Ich denke, es kann noch viel größer werden, wenn auch bekanntere MCs dazu bereit sind, sich live zu battlen.

Jan-Christoph: Da ist auf jeden Fall noch viel Potenzial, das freigesetzt werden kann. Es sind ja nun auch schon diverse Battle MCs groß rausgekommen und viele von ihnen haben und werden ihre Wurzeln hoffentlich nie vergessen. Ob der Zauber durch den plötzlichen Ruhm verlorengeht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich fand die Nummer von Laas beim Red Bull Soundclash auf jeden Fall großartig.

Beide Formate haben ihre Base in Berlin. Hätte die Wiederbelebung des Live-Battleraps auch in einer anderen Stadt geklappt?

Julian: Sehr gute Frage, die wir uns auch gestellt haben! Berlin ist einfach so riesig, dass es einen enormen Raum für Subkultur bietet. Berlin bietet eine höhere Dichte an Rappern als irgendwo sonst im Land und für MCs, die anreisen, ist Berlin immer ein gutes Ziel. Dazu kommt natürlich die legendäre Berliner Schnauze. Es macht schon Sinn, dass es dort passiert ist.

Jan-Christoph: Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Außer: In Bautzen hätte es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht funktioniert.

Wie kommt es, das ihr die RBA und VBT nicht in den Film mit eingebunden habt?

Julian: Wir beschäftigen uns in dem Film vor allem mit Live Battlerap, bei dem sich die MCs wirklich in die Augen gucken. Letztendlich hat sich die Geschichte des Films aus den Interviews ergeben, die wir geführt haben.

Jan-Christoph: Es gab durchaus die Überlegung und sogar das eine oder andere Gespräch mit Künstlern. Letzten Endes kann unsere Doku aber auch nur eine Geschichte von vielen erzählen, die ausschließlich auf den Storys unserer Interviewpartner basiert. Doch gerade das macht es ja auch so interessant.

Abschließend: Wie ist der aktuelle Stand?

Julian: Ich arbeite jede freie Minute am Schnitt und der Film wird Woche für Woche etwas besser. Vielleicht machen wir noch 1-2 Drehtage, aber das war es dann auch. Danach muss der Film noch in die Post-Produktion was bei einem Film über 90 Minuten immer etwas dauert kann. Wir hoffen, das wir im Winter Premiere feiern können.

Kommt der Film auch ins Kino oder wird er nur per Stream und als DVD zu sehen sein?

Julian: Was die Veröffentlichung betrifft, kann ich momentan noch nichts sagen. Es gibt viele Möglichkeiten, allerdings wird das davon abhängig sein, wie der Film ankommt und wie stark gerade das öffentliche Interesse ist.

Der Beitrag „Battleground Germany“ – Film über die Faszination Battlerap in Deutschland (Interview) erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.


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