Quantcast
Channel: Interviews – RAP-N-BLUES.com
Viewing all articles
Browse latest Browse all 466

Artist Feature #157: Ercandize

$
0
0

ercandize-3

In der Artist Feature Serie stellen wir euch regelmäßig interessante Musik-Künstler vor. Grundlage des “Artist Feature” sind 15 Fragen, von denen einige immer gleich und einige individuell sind. Heute mit Ercandize.

Follow Ercandize
WWWFacebookTwitter

Egal ob ABS, Optik, Assazeen oder „Uppercut“ – Ercandize kann mittlerweile auf über 15 Jahre Deutschrap zurückblicken und hat so einige Hochs und Tiefs miterlebt. Dass er auch abseits der Rapper-Karriere schon so einiges erlebt hat, thematisiert er dagegen nur selten. Im Artist Feature #157 öffnet sich der Ruhrpottler und sprach mit uns über diese und viele weitere Themen.

Du hast türkische Wurzeln und stammst ursprünglich aus Wesel, wo du auch aufgewachsen bist. Zwischendurch hast du allerdings auch einige Zeit in Köln gelebt. Wo gehst du in der Rhein Metropole gerne essen, wenn du bspw. einen Gast zu Besuch hast? Kannst du uns einige Lokale empfehlen?

Ich habe vier Jahre in Köln gewohnt, bin jetzt aber aus familiären Gründen wieder seit ein paar Jahren zurück in Wesel. In Köln bin ich gerne in die Keupstraße nach Mülheim gefahren, da gibt’s unterschiedlichste türkische Restaurants, die Auswahl ist groß und man kann hier eigentlich alles mögliche quer durch die türkische Küche essen. „Doy Doy“ und „Kilim“ fand ich immer ganz gut, ansonsten haben die Läden dort alle ein ziemlich gleiches Niveau und eine ähnliche Auswahl. In meiner Kölner Zeit habe ich aber meistens selbst gekocht.

Welche Gerichte kannst du in den Lokalen empfehlen?

Eher die traditionelle Küche, Reisgerichte mit Gemüsesorten, Kuru Fasulie, Lahmacun und auf jeden Fall Gebäck wie Su Böreği – ein Gericht aus Blätterteig mit Schafskäse und Petersilie dazwischen. Das gibt’s auch in allen möglichen Variationen.

Klingt nach einer facettenreichen Auswahl.

Voll! Es kommt auch immer darauf an in welcher Region du bist. Am Mittelmeer wird viel Gemüse gegessen und mit mehr Olivenöl gekocht als zum Beispiel in meinem Heimatort. In Kars, an der Grenze zwischen Georgien, Armenien und der Türkei, herrscht ein ähnliches Klima wie in Deutschland und es gibt viel Viehzucht. Das dortige Gemüse ist meistens importiert und verhältnismäßig teuer. Dementsprechend isst man dort mehr lokale Gerichte, was zu 90% aus Fleisch besteht (lacht).

Welche Unterschiede hast du zwischen türkischen Restaurants in Deutschland und in deiner Heimat ausgemacht?

Ich habe in Deutschland zwar schon das eine oder andere Restaurant besucht, das die traditionell-türkische Küche gut getroffen hat, aber die meisten Standard-Gerichte wie Döner, die Gewürze und die Beilagen sind mehr auf die deutschen ausgerichtet. Es fängt schon damit an, dass man in der Türkei gefragt wird, ob man sich wirklich sicher ist, wenn man ein scharfes Gericht bestellt hat. Hierzulande wird einfach nur Paprikapulver drauf gemacht. Das „richtig scharfe“ bekommt man hier nur selten. Es ist aber nicht so, dass alles, was in der Türkei zu essen gibt, auch unfassbar gut ist.

Ich war lustigerweise eben noch auf dem „Street Food Markt“ in Wesel. Da waren 30 Stände und 25 davon waren amerikanische Burger-Stände, die ja gerade krass angesagt sind und die eine oder andere Variation ausprobieren. Ich experimentiere bei Essen ungerne. Es muss einfach und gut sein. Da hat Deutschland für meinen Geschmack noch etwas Nachholbedarf. Eine ganze Zeit lang waren Kochsendungen ziemlich angesagt und jeder war am Kochen, aber ich habe im meinem privaten Umfeld da noch keine wirkliche Entwicklung gesehen (lacht).

Du hast vor kurzem Urlaub in der türkischen Heimat gemacht. Welche Gedanken gehen dir durch den Kopf, wenn du dort vorbeischaust?

Ich merke, dass die Last auf meinen Schultern leichter wird. Es ist schon eine Art Urlaubsgefühl – man ist mit einem Koffer unterwegs, gibt mehr Geld für „normale“ Dinge aus und lebt in den Tag hinein. Das ist meine Art von Urlaub. Ich kann nicht in einem Hotel wohnen. Nach drei Tagen wird mir da schon langweilig.

Ich war zehn Jahre lang nicht mehr in Kars. Meine Eltern sind jedes Jahr dorthin geflogen. Ich werde aber in Zukunft versuchen öfters dort zu sein, um den Bezug zu meinen Verwandten nicht zu verlieren und ihnen das Gefühl zu geben, dass wir sie nicht vergessen haben. Wir haben eher die Möglichkeit in die Türkei zu kommen als sie nach Deutschland. Mir ist es außerdem wichtig, dass meine Familie – mein Sohn und meine Frau – ebenfalls meine Wurzeln kennenlernen.

In Kars kommen Kindheitserinnerungen hoch. Erinnerungen an meine Großeltern und Menschen, die man immer nur von Jahr zu Jahr gesehen hat, aber einem immer ein warmes und gutes Gefühl gegeben haben. Ich bin zwar in Wesel geboren und aufgewachsen, aber wir waren in den Sommerferien immer für sieben bis acht Wochen in Kars. Ich wurde von der Schule dafür immer beurlaubt, weil wir mit dem Wagen fahren mussten. Wir waren bis zu fünf Tagen untwerwegs. In Kars angekommen, hatte ich das Gefühl, dass die Familie komplett ist. Vater, Mutter, Schwester, Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen waren meistens zur gleichen Zeit dort wie ich. Verwandte aus Deutschland hat man dort teilweise auch getroffen. Wenn wir dann abgereist sind, ging es gefühlt wieder in die Realität für mich.

Ich schlage mal eine Brücke zum Rap: Du stammst noch aus einer Zeit, in der die Herkunft im Rap nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Bei einem Blick auf die aktuelle Deutschrap-Szene scheint sich das Blatt gewandelt zu haben. Wie ist deine Meinung dazu?

Ich bin sehr anti-nationalistisch eingestellt und denke da eher liberal und „links-orientiert“. Ich weiß genau welche Entwicklung du meinst, aber für mich ist sie nicht neu. Ein Azad wurde damals auch schon von einer kurdischen Community gefeiert, die sonst nichts mit Hip-Hop am Hut hatte. Er war einer aus ihren Reihen, der es auf die große Bühne geschafft hat – diesen Stolz kann ich absolut nachvollziehen!

Aber plötzlich anzufangen, einem Rapper von vornherein nicht zu mögen, weil er aufgrund seiner Herkunft nicht in dein Bild passt, ist absoluter Bullshit! Sorgen mach’ ich mir da aber keine, weil die meisten Rapper klug genug sind, so etwas positives nicht zu missbrauchen.

Generell ist das weniger ein Musik-Ding, sondern hat eher was mit der verschobenen Wahrnehmung mancher Menschen als Ausländer in Deutschland und der Abgrenzung von Nationalitäten zu tun. Vor ein paar Jahren wurde ich noch gefragt, was denn der Unterschied zwischen „Sunniten“ und „Schiiten“ sei und heute wundere ich mich, wie Leute genau über alles Bescheid wissen.

Hast du diese Veränderungen auch am eigenen Leib gespürt?

Ehrlich gesagt nicht so krass. Ich hatte in der ABS-Zeit auch schon türkische Fans, für die ich als Türke etwas besonderes war. Meistens waren das aber auch echte Hip-Hop Heads: Sprüher, Breaker und auch Rapper.

In meiner Optik-Zeit wurde es schon multi-kultureller, was aber wohl daran lag, dass ich mit Savas öfters in Berlin unterwegs war. Zu der Zeit gab es dort schon eine stärker ausgeprägtere Multi-Kultur mit Iranern, Türken, Libanesen als bei mir zu Hause am Niederrhein.

Interview:
Savas über das neue Mixtape „Essahdamus“, seine Jugend in Kreuzberg und vieles mehr (hier lesen)

Nach der Schule hast du zunächst Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr-Universität in Bochum studiert. Wie hat sich das ergeben? War der Studiengang zu deiner Zeit auch schon endlos überlaufen?

Es war schon extrem überlaufen. Mittlerweile braucht man sogar einen 1er Durchschnitt, um ins erste Auswahlverfahren zu kommen. Für mich war es nach dem Abi eine Selbstverständlichkeit zu studieren und keine Ausbildung zu machen. Ich habe mit dem Gedanken gespielt eine Bank-Lehre zu beginnen, weil viele aus meinem Umfeld das so gemacht habe. Den Gedanken habe ich aber schnell wieder verworfen.

Zunächst wollte ich Jura studieren, habe mich am Ende dann aber für Wirtschaftswissenschaften entschieden, weil der Anteil von BWL und VWL ziemlich hoch und gleichmäßig ist und ich damals auch noch nicht genau wusste, was ich werden will. Ich konnte mich nicht wirklich als Anwalt, Architekt oder Arzt vorstellen.

Also habe ich ein Studienfach gewählt, dass mir persönlich auch was bringt. Auch wenn das Studium stellenweise sehr dogmatisch war und man viel auswendig lernen musste, hat es dafür gesorgt, dass ich in meinem Denken von kurz- auf langfristig geswitcht habe – manchmal sogar zu langfristig. Auch meine Neugier wurde dadurch verstärkt. Wenn ich noch einmal die Wahl hätte, würde ich es wohl wieder wählen.

Parallel dazu hast du die LP „Kinderspiel“ veröffentlicht. Im Optik Forum hast du geschrieben, dass sich das Album mittlerweile 60.000 Mal verkauft hätte, was heutzutage ein krasser Erfolg wäre. Wie hast du es damals empfunden?

Ich glaube, dass ich mit 60.000 die Gesamtverkäufe, also Album und Singles, gemeint habe. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mal mehr, wer mir die Zahl zugerufen hat und ob sie überhaupt stimmt, weil ich davon nie Kohle gesehen habe.

In der damaligen Zeit habe ich mich so gut wie gar nicht mit den Verkaufszahlen befasst. Erst in den Jahren darauf habe ich mich darüber schlau gemacht. Wir waren damals bei Uprock-Records und die BMG hat unseren Vertrieb gemacht. Das war alles sehr intransparent. Man musste den Leuten erst stark auf die Nerven gehen, bis sie einem fir Infos gegeben haben. Wir sind mit dem Album in die Top 50 eingestiegen, was für damalige Verhältnisse schon ein amtlicher Erfolg war, da es mit den illegalen Downloads gerade losging. Dass das Album die Runde gemacht hat, habe ich eigentlich nur bei den Auftritten gespürt. Es war krass für mich zu sehen, dass sogar bei Gigs in Österreich und der Schweiz alle die Parts auswendig konnten. Anderweitig habe ich die Veränderung kaum wahrgenommen – weder in meinem Portemonnaie noch über die Hip-Hop Szene hinaus.

Du hast also einfach gemacht?

Die Kohle stand nie im Vordergrund. Ich komme aus einer Zeit, da war die Szene noch ein bisschen sensibler, wenn es um das Thema Kommerz ging. Ich habe das schon immer als eine Art Job oder Berufung angesehen. Ich musste es einfach machen, da schon zu viel Zeit und Energie reingeflossen ist und ich einfach Bock hatte. Ich hätte es also so oder so gemacht – auch wenn gar kein Geld dabei herausgesprungen wäre. Als angehender Student war es natürlich cool, dass etwas Kohle darüber reingekommen ist und man nicht in der Poststelle arbeiten musste.

Aber gerade wenn du Rap als deinen Job angesehen hast, schaut man dann nicht umso mehr auf die Zahlen?

Ich weiß was du meinst, aber wie gesagt dieses Konstrukt aus ABS, Uprock und BMG war so intransparent, dass wir das Kommerzielle nach einer Zeit komplett aus den Augen verloren haben. Hinzu kam, dass wir live sehr viel unterwegs waren. Mich hat es damals wirklich nicht interessant. Mir war es wichtiger ein neues Album aufzunehmen und aufzutreten.

Und das als Wirtschaftsstudent?

Echt fahrlässig! Das ABS-Album ist ja noch immer erhältlich und erst durch ein komisches Erlebnis habe ich damit angefangen, mir Gedanken um die Abrechnungen zu machen. Ich war vor 3-4 Jahren an der Konstablerwache in Frankfurt unterwegs, als mitten in der Nacht ein Punker-Pärchen auf mich zukam – so richtig mit Iro, Lederjacke und Nieten – und meinte „Erc bist du’s? Ich hab mir letztens noch dein Album runtergeladen!“ Dann holt der Typ sein Smartphone raus und zeigt mir das ABS-Album. Da wurde mir erst bewusst „Shit, das Album verkauft sich ja immer noch, vielleicht sollte ich da mal nachfragen“!

Zuletzt konnte man dich auf dem Track „COPD“ von Doze hören, der ja auch auf dem ABS-Album vertreten war. Gibt es noch Dinge, die damals wie heute gleich belieben sind?

Ich habe meinen Part in Wesel aufgenommen und ihm meine Spuren zugeschickt. Leider. Aber trotzdem war und ist das Gefühl, wenn ich mit ihm Musik mache, noch immer dasselbe. Ich respektiere ihn sehr für das war er mit Too Strong erreicht hat, seine Live-Präsenz und die Attitüde. Man könnte denken, dass sich das Ganze mit dem Alter irgendwann relativiert, aber nein – bei Doze ist das nicht so. Mich hat es wirklich geehrt und gefreut, dass er mich auf dem Album haben wollte.

Ich werde auf jeden Fall den „Langen“ und Doze fragen, ob sie auf meinem nächsten Projekt dabei sein wollen und dann würde ich auch zu ihnen ins Studio fahren oder sie zu mir eingeladen.

Nach dem ABS-Album bist du bekanntermaßen zu Optik Records gegangen. Der „Optik Takeover“ feiert dieses Jahr seinen 10. Geburtstag. Was empfindest du, wenn du an die Zeit zurückdenkst?

Ich habe sie als eine sehr intensive Zeit in Erinnerung behalten. Da kam einiges zusammen: Die Nachwehen vom Savas-Eko Beef zum Beispiel und dass das Label immer größer und verwäßerter wurde, gleichzeitig aber auch kurz vor der Schließung stand. Ich hatte das Gefühl, dass dieses Projekt unser Höhepunkt war und danach jeder so langsam damit begonnen hat, seine eigenen Strukturen aufzubauen.

Der „Optik Takeover“ ist damals über Subword/Sony Music herausgekommen und wir haben uns teilweise wie hängengebliebene Jugendliche verhalten, was es für Savas und die Verantwortlichen des Labels nicht gerade einfach gemacht hat zu managen. Savas (Artist Feature #156) hat alles auf die Beine gestellt und das beste aus dem Release herausgeholt. Er war auch in den Solo Songs mit involviert.

Die Songs finde ich heute noch stark, allerdings klingt das Album für mich auch sehr zusammengewürfelt.

Wir waren alles verschiedene Charaktere mit unterschiedlichen Skills. Der einzige, der den Überblick hatte, war eben Savas. Es hatte schon einen leichten Touch von einem Mixtape – da geb’ ich dir Recht. Das lag vielleicht auch daran, dass das Album in einer Zeit entstanden ist, in der wir viele Mixtapes gemacht haben, „John Bello Story,“ „L’Haine“, „Ear 2 the Street“ und viele mehr.

Man darf aber auch nicht vergessen, dass es ein Album war, das auf Live Gigs ausgerichtet war udn somit erst mit der anschließenden Tour seine Vollendung fand. „Das ist OR“ war zum Beispiel einfach nur ein starker Song mit einem coolen Video, in den wir sehr viel Zeit gesteckt haben. Erst als ich gesehen habe, wie die Fans live auf den Song durchgedreht sind, wurde mir bewusst. wie krass er eigentlich ist.

2012 folgte dein „Comeback“-Album „Uppercut“. Was denkst du heute über das Release – bist du damit zufrieden oder hättest du im Nachhinein noch etwas daran verändert?

Das Album sollte eigentlich nur ein Lebenszeichen von mir sein. Die zwei Jahre vor dem Album waren eine sehr harte Zeit für mich und ich wollte mit dem Album ein wenig aus der Situation herauskommen, um wieder etwas Normalität in mein Leben zu bringen. Ich habe es hier in Wesel aufgenommen und mit einem Kollegen aus Paderborn noch ein Mixtape mit einigen exklusiven Songs zusammengestellt. Es sollte wirklich nur für Leute sein, die mich immer noch auf dem Schirm hatten. Außer den ein bis zwei deepen Songs geht das Album gut nach vorne, einfach weil Battlerap für mich die beste Möglichkeit ist, meinen Standpunkt festzulegen.

Wie das Album anfangs angenommen wurde war auch völlig okay. Ich habe da vielleicht etwas mehr erwartet, als eigentlich in dem Album steckte. Das ganze drumherum hätte ich mir aber komplett sparen können und nehme auch alles auf meine eigene Kappe. Auch wenn ich hier und da falsch beraten wurde – ich hätte mich einfach mehr mit Deutschrap 2012 und Social Media auseinandersetzen müssen. Ich habe mich dazu hinreißen lassen, Sachen zu sagen, hinter denen ich damals nicht zu 100% stand, die aber auch manchmal komplett aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Ich mag die Mukke von Casper bspw. zwar noch immer nicht, aber nur dieses eine Statement dann zu holen und mich damit als verbitterten Vollidioten darzustellen, war nicht okay.

Es war nicht meine Absicht mit meinen Aussagen anzuecken. Das Ausnutzen von Popularität, Facebook-Fans und Twitter-Followern war von deren Seite aus aber auch genauso asozial. Teilweise muss ich mir heute noch die blöden Sprüche durchlesen, wobei den meisten wahrscheinlich gar nicht bewusst ist, dass sie mich damit beleidigt haben. Von daher finde ich es wiederum ganz lustig mit einem Interview voller Rumgespinne so etwas auszulösen. Ich kann von einem Publikum, das mich nicht kennt, nicht erwarten, dass sie meinen Humor auf Anhieb verstehen, so wie es mein Umfeld tut.

Wäre „Uppercut“ ein Album mit dem du abtreten könntest?

Niemals! Das kann auf keinen Fall mein letztes Album bzw. das letzte Echo über mich sein. Ich habe zwar nicht das Gefühl, dass unglaublich viele Leute auf ein Album von mir warten, aber ich weiß, dass es schon einige gibt, die gerne noch eins vor mir hätten.

Die Reviews dazu bemängelten fehlendes Entertainment, Originalität und Vielfalt.

Das Album war auch als reines Battlerap-Album konzipiert. Der Titel, die Bilder im Boxring – alles war darauf ausgerichtet. Vielleicht war es das falsche Album zum falschen Zeitpunkt. Von mir erwartet man auch keine reine Battlerap LP, sondern eher etwas deeperes. Der Überraschungseffekt war wohl nicht auf meiner Seite.

Nebenbei hast du mit Separate das Label „Dijital Resistance“ gegründet, was nicht unbedingt jeder weiß. Inwieweit bist du in das Label involviert?

„Gegründet“ trifft es nicht ganz. Ich habe Separate bei seinem letzten Album geholfen und wir haben dem Ganzen einfach einen Namen gegeben mit der Absicht, da in Zukunft etwas mehr miteinander zu machen. Am Ende ist es bei dem einen Release geblieben, aber ich unterstütze Separate noch immer, da er für mich ein begabter Musiker, coole Persönlichkeit und ein Freund ist, den ich schon seit mehreren Jahren kenne. Ob ich mich mehr bei „Dijital Resistance“ involviere oder ihn lediglich supporte, wissen wir noch nicht.

Aktuell arbeite ich eng mit DJ Gang-G zusammen, mit dem ich die Alben von Maho und Dr. Knarf promote.

Apropos Dr. Knarf: Wie kam diese Konstellation zustande?

Das erste Mal habe ich ihn in Köln getroffen, da war ich aber noch kein Kölner. Das war noch zu ABS-Zeiten. Ich bin mit Short und Lenny auf ein Freestyle-Battle gegangen, an dem auch Dr. Knarf teilgenommen hat. Auf der Bühne hat der dann Lines gegen ABS gebracht, was mich echt wütend gemacht hat. Nach dem Battle gab es eine kurze Situation, aber es kamen sofort Leute von ihm und haben geschlichtet.

Während meiner Zeit in Köln habe ich ihn dann 1-2 mal gesehen, aber wir haben uns auch nur kurz gegrüßt und sind dann weitergegangen. Vor anderthalb Jahren kam dann ein gemeinsamer Freund von uns auf mich zu und hat mir von Knarf’s neuer Mukke erzählt. Da ich grundsätzlich für alles offen bin, hatte ich vorgeschlagen, dass wir uns mal treffen. Auch schon mit der Option ihn bei Gang-G zu empfehlen. Gang-G ist der einzige in Sachen Künstler-Management, den ich auch ruhigen Gewissens weiterempfehlen kann.

Trotz unserer kleinen Differenzen habe ich sehr schnell ein gutes Bild von Knarf als Mensch und Künstler bekommen. Er hat öfters nach meiner Meinung gefragt, die ich ihm dann auch mitgeteilt habe. Teilweise hat er sie umgesetzt, teilweise auch nicht und daraus ist dann ein geiles und facettenreiches Album geworden. Sein zehntes übrigens schon.

Ich bin gespannt, was man mit dem Album alles erreichen kann. Wir hoffen auf einen Charteinstieg, um in Zukunft mehr für und mit ihm machen zu können. Den Vertrieb übernimmt Universal, was auch ganz geil ist. Die haben uns schon jede Menge Feedback und neue Möglichkeiten gegeben. Das ist auch der Grund, weswegen wir das Album vom 11. November auf den 03. Februar 2017 verschieben werden, um noch über eine Box, eine kleine Tour und weitere Sachen nachzudenken.

prometheus-dr-knarf-cover

Knarf hat angekündigt, von 2015 bis 2017 insgesamt 12 Alben herausbringen zu wollen.

Genau in dieser Zeit haben wir uns auch kennengelernt und sind ins Gespräch gekommen. Das Album ist wahrscheinlich auch der Grund, weswegen er den LP-Marathon dann doch nicht macht. Trotz alldem hätte ich ihm das zugetraut, da er sehr schnell schreibt und aufnimmt. Wer weiß, vielleicht geht man das Ganze in Zukunft wieder an.

Er hat zum Beispiel auch ein Live-Album mit einer österreichischen Kapelle aufgenommen, die ihm seine Instrumentals noch einmal eingespielt haben. Da sind schon einige fertige Projekte in seiner Schublade. Wir warten die Resonanz auf „Prometheus“ ab und überlegen dann, wie wir weitermachen.

Du hast zudem deine Top 15 Deutschrap All Time Classics gepostet. „Gestern Gallus, heute Charts“ von Haftbefehl stach ziemlich heraus, da der Rest eher oldschool geprägt war. Was macht diesen Track für dich so besonders?

In allererster Linie finde ich den Song einfach geil. Schön chillig, geht aber trotzdem gut nach vorne, ist geil gerappt und der Beat stammt von Bazzazian (ehemals Benny Blanco), von dem ich schon immer ein Riesen-Fan war. Ich hatte bei dem Track zum ersten Mal das Gefühl, dass Haftbefehl das Sprachrohr für einen ganz bestimmten Teil Deutschlands ist und ihnen einen Weg weist – wie der Titel schon sagt.

Ich feier’ auch „Chabos wissen wer der Babo ist“ oder sein letztes Mixtape, aber bei „Azzlackz Stereotyp“ ist es so wie bei Nas und „Illmatic“. Auf jeden Fall verdient es Haftbefehl genannt zu werden, wenn es um Klassiker der letzten 20 Jahre geht.

Du hast so einige Hoch und Tiefs des Ruhrpott Raps mitgemacht. Was denkst du über die jüngsten Erfolge von PA Sports, KC Rebell und Manuellsen?

Ich freu mich für sie, weil ich weiß, was für einen Struggle alle hinter sich haben. Ich weiß, wie schwer es ist, sich im Ruhrgebiet durchzusetzen, gerade bei den älteren. Alle kommen aus dieser Hardcore Hip-Hop-Schule und machen seit 15 Jahren nichts anderes. Das zahlt sich so langsam aus. Ich muss jetzt nicht jeden einzelnen Song von ihnen mögen, aber man muss definitiv anerkennen, dass das gute Musik ist und berechtigterweise Anklang findet.

Ich gönn’ es allen aus dem Ruhrgebiet, auch wenn ich mir bei manchen hier nicht sicher bin, wie sie zu mir stehen. Das Ruhrgebiet ist recht überschaubar und alles macht schnell seine Runde. Ich bekomme das leider nur über andere mit. Aber damit komm’ ich klar. Grundsätzlich respektieren sich hier alle.


Zum Abschluss noch ein paar Sätze zum Vervollständigen: Eine Hörspiel-CD über mein Leben sollte gesprochen werden von, …

Amar. Weil ich bei ihm am ehesten das Gefühl habe, dass er nachvollziehen kann, wie und warum mein Leben bisher so verlaufen ist. Er ist auf jeden Fall ein Bruder im Geiste!

Fünf Minuten bevor die Show losgeht…

…bin ich immer sehr aufgeregt und hoffe das Intro nicht zu verkacken.

Fünf Minuten nach der Show…

…bin ich absolut erleichtert und glücklich.

Dort, wo ich herkomme ist das Wichtigste…

…zu seinem Wort zu stehen.

Der Beitrag Artist Feature #157: Ercandize erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 466

Trending Articles