Fler meldet sich mit einem neuen Album zurück. Macht der Titel seinem Namen alle Ehre oder geht der „Vibe“ nicht auf den Hörer über? Wir haben uns die LP angehört – checkt hier unsere Review dazu.
Short Facts
- 16 Tracks | 46 Minuten
- Features von Bushido, Shindy, Laas Unltd. und Jalil
- produziert von Oster, Iad Aslan und Nico Chiara
- Label: Maskulin
- Releasedate: 02. September 2016
Intro
Eine Fler-Review völlig unbefangen zu verfassen fällt mir an dieser Stelle äußerst schwer. Zu stark war das Echo von seinen letzten Interviews und die dort getätigten Aussagen zum Thema Realness, Kollegah, 187 Straßenbande, Mode-Stile und seinem musikalischen Schaffen. Dennoch habe ich das Gefühl, dass sich Fler in den letzten Tagen und Wochen sehr darum bemüht hat, auf „Vibe“ einfach die Musik sprechen zu lassen. Zwar vertritt er noch immer ziemlich straight seine Meinung und bezeichnet sein aktuelles Wert nicht als Album, sondern vielmehr als Statement, aber sie ist weniger cholerisch, reflektierter und nachvollziehbarer.
Die bisherigen Reviews, die ich bisher gelesen habe, zielten in die Richtung ab, das „Vibe“ wohl das „beste Fler Album seiner Karriere“ zu sein scheint. Ich halte mich da eher an das Gebot der Fairness und verberge all das hinter einem Schleier des Nichtwissens – auch wenn es mir schwerfällt.
Review
„Vibe“ eröffnet mit dem böse und düster klingenden Titeltrack, der von einer im Vordergrund ratternden 808 auf einem verschroben klingenden Piano-Sample an den Sound seiner letzten EP erinnert. Fler macht also dort weiter, wo er aufgehört hat und haut einem langsam, aber druckvoll seine Prinzipien um die Ohren, die man bereits aus seinen Interviews kennt. Schon hier zeigt sich: Fler ist niemand, der die letzten Jahre in einem Rap-Elfenbeinturm verbracht hat.
Ganz im Gegenteil – sein Mindstate und persönlicher Rap-Geschmack sind ganz dicht am Puls der Zeit. Er tut alles dafür seine Tracks auch so klingen zu lassen und zeigt sich stets transparent, was den Produktionsprozess angeht. Fler Releases erfreuten sich darüber hinaus bislang an einer sehr guten Instrumentalisierung. Über die letzten Jahr hinweg hat er sich immer mehr und mehr dazu entschieden die Beat-Zügel in den eigenen Händen zu halten, indem er seinen Senf bereits bei der Produktion dazu gibt. Fler wird dadurch zum Rapper, Songwriter und Komponisten. Mit seinem Partner in Crime Iad Aslan, der ihn mittlerweile seit drei Releases begleitet und Nico Chiara zauberten sie 15 Tracks, die zeitgemäßer nicht sein können und allesamt eine durchgehend maskuline Stimmung erzeugen.
Die Auswahl der Samples orientiert sich zumeist an dem Sound des Berliner Rap anno 2000. Anschließend wird es an den heutigen Hochglanzsound angeglichen und im Nachhinein wieder etwas „eingestaubt“. Hook und Strophe heben die Tracks noch einmal auf ein höheres Level und machen aus dem Titeltrack, allen Video-Singles echte Outstandig Tracks, da Fler hier stets die Stimmung trifft. Hinzu kommen ein Shindy und Bushido auf „Attitude,“ dessen Strophen sich auf dem musikalischen roten Faden von „Vibe“ so entfalten wie man es sich auf „Cla$$ic“ gewünscht hätte. Allerdings ist der Beat von Russ‘ „Pull The Trigger“ gebitet. Nicht gesamplet – gebitet!
Ein Albumtitel wie „Vibe“ schraubt aber auch die Erwartungen an den Sound automatisch etwas höher und zeichnet ein Bild vor, ohne das Album überhaupt überhaupt gehört zu haben. Man nimmt jeden Track in puncto Atmosphäre genau unter die Lupe und ich für meinen Teil stelle fest, dass nicht alle Tracks ein Sureshot in Sachen „Vibe“ sind. Eine solche Mischung aus Trap und der Essenz, was 2002 aus Sonny Black und Frank White eine Ära gemacht hat, hat man bisher noch nie in dieser Qualität und Stringenz geboten bekommen. Dennoch ist nicht alles ein Hit und der Überraschungseffekt fällt geringer aus als erwartet.
Bei „C.R.E.A.M“, „Episch“, „Hätte nie gedacht“, „Famebitch“ und „Mercedesstern“ fehlt es mir an Innovation. Fler ist mit seinen 34 Jahren eben kein Newcomer mehr, kann und will dementsprechend die Straßenmelancholie auf seinen Alben nicht komplett außen vor lassen. So hat sich nach 13 (!) Solo-Alben offenbar ein gewisser Gewöhnungseffekt bei ihm eingeschlichen. Eine rollende Snare oder andere aktuell angesagte Elemente erfinden das Rad eben nicht so einfach neu.
Dass Fler noch nie großen Wert auf komplexe Flowabfahrten und tiefgründige Lyrics gelegt hat, sollte nun jeder auf dem Schirm haben. Und auch wenn der technik-fixierte Laas Unltd dieses Mal mit im Studio saß, ändert sich daran nichts, da Fler stets die Oberhand über alles behielt. Wann und wo der gebürtige Gütersloher geholfen hat, ist nicht herauszuhören. Abgesehen davon hätte ich Fler auch zugetraut die Zeilen alleine geschrieben zu haben, da hier nicht das songschreiberische Talent gezählt hat, sondern eben der Vibe getroffen und eine gewisse Attitüde an den Tag gelegt wurde. Von Letzterem hat Fler nun einmal mehr als genug und das hört man auch in jeder Minute.
Die Attitüde wirkt stets authentisch, aber das alleine sorgt nicht dafür, dass die oben genannten Anspieltipps zu Evergreens werden. „Vibe“ ist ein Album, das ich kurz und hart feiern und wohl nicht über Jahre hinweg pumpen werde. So sehr ich den Vergleich mit clubtauglichen US-Tracks verstehe, kann ich Text und Flow nicht vollständig vergessen. Dafür bin ich wohl zu sehr Deutschrap geprägt. Natürlich gehe ich bei Fler nicht von den typischen Singer-/Songwriter Maßstäben aus – aber auf „Vibe“ fehlen mir die Passagen, die mich richtig abholen.
Bestes Beispiel dafür ist „Lifestyle der Armen und Gefährlichen“, das nur so vor krasser Ignoranz strotzt und Parts beinhaltet, die hängen bleiben. „AMG, AMG / Flizzy fährt jetzt AMG,“ – drei Mal das gleiche Wort in zwei Zeilen? Solch simpel gehaltene Passagen entfalten in den richtigen Situationen wie bspw. im Auto mit seinen Jungs die gewollte Atmosphäre. Leider gibt es davon viel zu wenig und gerade weil der erwähnte Vorbote zum Album voll damit war, lässt es mich ein wenig ernüchternd zurück.
Apropos „Bewährung vorbei“: Ich hätte mir etwas mehr Wut in seiner Stimme und weniger Hauptaugenmerk auf die richtige Aussprache und Platzierung von jedem einzelnen Wort gewünscht. Etwas mehr Spontanität hätte dem Gesamteindruck nicht geschadet. Auch oder gerade im Hinblick auf die Strophen. Auto-Tune, zigmal die gleichen Wörter und Sätze wiederholen – Fler sieht keine Grenzen, wenn es darum geht eine Ohrwurmhook zu konstruieren, aber hält es mit seinen Strophen genauso reduziert und redundant.
Der Flow ist zwar on point und die Reime sind auch stellenweise alles andere als simpel, aber die Technik ist sehr minimalisitisch gehalten und man kann schnell vorhersehen, wann die Parts einsetzen, die Pausen kommen und wie die Reimstruktur aufgebaut ist. Sogar Laas Unltd. rappt hier in diesem Style und wirkt auf „Famebitch“, nicht nur aufgrund des Thema’s etwas fehl am Platz. Ganz im Gegensatz zu Jalil. Am Ende sorgt eben nicht nur das Instrumental, sondern auch der Refrain und die Strophe für den eigentlichen Vibe.
Thematisch muss es sich bei Fler und gerade auf „Vibe“ nicht um allzu viel drehen. Hauptsache es klingt arrogant und desinteressiert. Wobei es für mich bei ihm immer authentischer wirkt, wenn er dies mit Teilen seiner Vergangenheit vermischt und nicht einfach nur über sein Hab und Gut rappt und sich als Modeguru inszeniert. Auch wenn ich ihm seinen guten Modegeschmack nicht absprechen will, passt es nicht ganz zum breitschultrigen grobmotorischen Rapper, dem nichts in den Schoß gefallen ist. Bis auf ein paar Ausnahmen, scheint er dies auf verstanden zu haben.
Fazit
„Vibe“ ist Fler’s bisher bestes Album seiner Karriere und auch sein wichtigstes. Die Zeit, die er sich dieses Mal genommen hat, scheint sich gelohnt zu haben. Die letzten Alben klagen allesamt ziemlich gleich und sind deshalb mehr oder weniger an mir vorbeigegangen. „Vibe“ ist Fler’s „Vom Bordstein bis zur Skyline“. Im Gegensatz dazu wird er mit „Vibe“ zwar keine neue Ära prägen, aber hat nun endlich seinen eigenen Trademark-Sound im Gangster-Rap gefunden ohne sich selbst verraten zu haben.
Durch diese Eigenständigkeit kann ich es verkraften, dass das Album nicht wie angekündigt gänzlich ohne Filler daherkommt. Teilweise ist es schon krass, was er hier abgeliefert hat, aber manches fliegt wiederum an mir vorbei. Dennoch vereint jeder Track den Sound von morgen mit der Härte der Straße. Die Produktionen orientieren sich an denen von Boi-1da und die Beats ähneln Drake’s Soundbild ohne sie dreist 1:1 zu kopieren. Bleibt nur noch zu sagen: Seid mal nicht voreingenommen und hört rein, es lohnt sich!
Cover & Tracklist
01. Tipp: Vibe
02. Junge aus der City
03. C.R.E.A.M
04. Lifestyle der Armen und Gefährlichen
05. Episch
06. Tipp: Attitude feat. Bushido & Shindy
07. Hätte nie gedacht
08. Tipp: Bündel feat. Jalil
09. Famebitch feat. Laas Unltd.
10. Bewaffnet & Ready feat. Jalil
11. Sophia Thomalla/Slang kriminell
12. Skit
13. Unsichtbar
14. Mercedesstern
15. Du hast den schönsten Arsch der Welt
16. Moderne Sklaverei Acapella
Der Beitrag Fler – „Vibe“ (Review) erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.