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Vivaldi-Experiment 2016: MoTrip und das WDR Funkhausorchester starten gemeinsames Projekt (Interview)

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Die Hip-Hop Kultur und das WDR Funkhausorchester haben auf den ersten Blick nicht allzu viele Gemeinsamkeiten. Doch genau in diesem Widerspruch liegt auch eine große Chance, Brücken zwischen den Genres zu bauen.

Willkommen zum Vivaldi-Experiment, das 2016 bereits in seine dritte Runde geht. Nach Dvořák und Gershwin ist es nun Antonio Vivaldi um den sich alles dreht. Im Mittelpunkt steht dabei auch MoTrip mit seinem Track „Auserwählt“, den der Rapper für das von der ARD organisierte Schulprojekt komponieren und auf Vivaldis berühmte „Vier Jahreszeiten“ ummünzen ließ. In der begleitenden Show bekommen die Video-Einsendungen der Schüler einen wichtigen Platz. Zusammengeschnitten als virtueller Chor stehen MoTrip und die Schüler indirekt zusammen auf einer Bühne. Wir sprachen mit Magdalena Wolf vom WDR und Produzent Peter Saurbier über das Projekt.

Interview

Aktuell seid ihr mit dem Vivaldi-Experiment on Tour. Wie fiel das das bisherige Feedback aus?

Peter Saurbier: Das Vivaldi Experiment ist ein Musikprojekt der gesamten ARD, das an verschiedenen Orten in ganz Deutschland verschiedene Gesichter hat. Wir wollen zeigen, wieviel Leben in klassischer Musik steckt – und wieviel klassische Musik im Leben. In Schulen und in Jugendzentren gibt es dabei Mitmach-Aktionen, Workshops und kleine Konzerte rund um die „Vier Jahreszeiten“ von Vivaldi. Mit Orchestermusikern und Musikvermittlern aus der ganzen ARD und mit Motrip. Bei einem Rap-Workshop Ende Juni ist er z.B. plötzlich und für die Teilnehmer total unerwartet als Dozent aufgetaucht – das Feedback war enorm! Das kann man sich alles auf unserer Homepage und bei Facebook ansehen. Dort steht auch, wie man am Virtuellen Chor teilnehmen kann, da singen jetzt schon Hunderte mit.

Ziel des Experiments ist es, junge Menschen für klassische Musik zu begeistern. Glaubt ihr, dass dieses Projekt auch älteren Menschen deutschsprachigen Rap bzw. die Hip-Hop Kultur an sich näher bringen kann?

Magdalena Wolf: Ich glaube, die Chance des Projekts ist es, zu zeigen, dass man die Hemmschwelle zwischen Klassik und Rap gut abbauen kann und beides seinen Wert und seine Berechtigung hat. Es ist vielleicht ähnlich wie bei der Vermittlung von klassischer Musik: Die meisten kennen die Musik nicht, aber man sollte ihnen die Möglichkeit geben, sie kennenzulernen.

Peter Saurbier: Das Vivaldi-Experiment ist vor allem ein Projekt für junge Leute. Viele werden MoTrip besser kennen als Vivaldi. Wenn aber die Jugendlichen ihre Eltern oder Lehrkräfte anstiften, zuzuhören – klar, dann kann es durchaus sein, dass die auf der anderen Seite auch etwas kennenlernen, was für sie neu ist.

Sind die Proben bereits im Gange?

Peter Saurbier: Das Orchester und MoTrip selbst werden erst in der Woche vor dem Konzert aufeinandertreffen. Aber im Hintergrund wird schon intensiv zusammengearbeitet. MoTrip’s Produzenten bauen Tracks, Orchester-Arrangeure bereiten Noten für die gemeinsamen Stücke vor, musikalische Ideen werden ausgetauscht, Abläufe besprochen… In einer kleinen Session sind sich Mariella Haubs – unsere Solo-Geigerin – und MoTrip vergangene Woche begegnet und haben eine Mini-Version unseres Eröffnungssongs aufgenommen. Es war beeindruckend zu sehen, wie sich eine moderne, junge Geigerin wie Mariella in einen Pop-Song einfügen kann. Sie kann enorm spontan und nur nach dem Ohr spielen und improvisiert auch – anders als man das vielleicht von Klassikern erwartet. Wobei diese Erwartung auch nicht ganz stimmt – Improvisation war auch zu Vivaldis Zeit ein verbreitetes Stil- und Spielmittel!

Was können beide Seiten voneinander lernen?

Peter Saurbier: Ich finde es gut und richtig, wenn ein Musiker seine musikalische Heimat hat und darüber hinausgeht. Klassik, Pop, Rap, Elektro – was auch immer. Ich glaube jeder Musikstil kultiviert bestimmte Aspekte von Musik. Das können harmonische Raffinessen sein, große Bögen in der Komposition, besondere rhythmische Energie. Sich anderen Stilen zu öffnen heißt, diese Stärken von Genres kennenzulernen und damit auch das eigene musikalische Vokabular und die eigene Tiefe zu vergrößern.

Habt ihr euch mit ähnlichen Projekten wie zum Beispiel „Splash meets Classic“ beschäftigt?

Magdalena Wolf: Natürlich kenne ich viele ähnliche Projekte. Gerade das WDR Funkhausorchester ist ja bekannt dafür, musikalische Grenzen zu überschreiten – etwa mit der Zusammenarbeit mit dem Elektro-Label KOMPAKT. Wichtig ist, dass beide Seiten wertgeschätzt werden und ihren Raum bekommen. Wenn das funktioniert, kann etwas Wunderbares daraus entstehen.

In der Pressekonferenz habt ihr eure Entscheidung für MoTrip aufgrund der Parallelen zu Vivaldi begründet. Gab es auch andere Beweggründe, das die Auswahl auf Mo-Trip fiel?

Magdalena Wolf: MoTrip selbst ist sehr offen für klassische Musik und hat keine Berührungsängste mit einem Orchester. Gleichzeitig versteht er es, in seinen Texten virtuos mit Sprache umzugehen und Inhalte zu vermitteln, die in die Tiefe gehen. Vor allem aber ist er für unsere Zielgruppe eine wichtige Identifikationsfigur.

Welchen Bezug habt ihr zu deutschem Hip-Hop und MoTrip’s Musik?

Magdalena Wolf: Ich bin mit den Beginnern, Fanta4 und Freundeskreis groß geworden und höre auch heute noch deutschen Rap. MoTrips „So wie du bist“ und „Selbstlos“ kannte ich natürlich, seine anderen Songs entdecke ich gerade für mich, „Mathematik“ finde ich zum Beispiel hervorragend.

Peter Saurbier: Mir geht’s ähnlich. Ich stehe seit einigen Jahren beim Radiosender 1LIVE hinter der Musik-Comedy Tony Mono. Viele der Songs aus diesem Bereich habe ich in parodistischer Form schon selbst im Radio oder auf der Bühne aufs Korn genommen. Und Parodie ist immer auch eine Hommage! Ich mag die Energie von gutem Rap sehr und wenn sich das mit so viel Intelligenz und Zwischentönen paart wie bei MoTrip, dann nur umso mehr.

Welchen Einfluss hattet ihr auf MoTrip’s Song?

Magdalena Wolf: Wir haben ihm und seinem Produzenten Team freie Hand gelassen. Auch was die Vivaldi-Samples anging, konnten sie entscheiden, welche Teile sie verwenden wollen. Textlich sollte es um den Effekt gehen, den Musik bei jedem einzelnen Menschen haben kann. Wir nennen ihn den „Vivaldi-Effekt“, weil auch Vivaldi bei seinen Schülerinnen mit Musik viel bewirkt hat. MoTrip schafft es, diesen Gedanken in seiner eigenen Art in Worte zu verpacken.

Habt ihr Überschneidungen festgestellt, was die Emotionalität im Hip-Hop und Klassischer Musik auslösen können?

Magdalena Wolf: Klassik kann wie Hip-Hop wütend und wild sein, aber auch nachdenklich und leise. Auch in der Klassik gibt es einen Beat, wenn auch manchmal nicht so offensichtlich wie im Hip-Hop. Wie jede und jeder Einzelne sich davon berühren läßt, hängt natürlich davon ab, ob man die Musik mag, aber auch – und das ist wichtig – wie sehr man sich darauf einlässt. Hip-Hop ist genauso Kunst wie Klassik und in beidem gibt es viel zu entdecken.

Sind weitere Zusammenarbeiten geplant oder ist das Vivaldi-Experiment eine einmalige Aktion?

Magdalena Wolf: Das WDR Funkhausorchester wird am 2. März 2017 zusammen mit MoTrip ein gemeinsames Konzert im Rahmen der Reihe PlanM@Philharmonie geben. Wir freuen uns sehr darauf, die Zusammenarbeit fortzusetzen.

Der Beitrag Vivaldi-Experiment 2016: MoTrip und das WDR Funkhausorchester starten gemeinsames Projekt (Interview) erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.


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