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RAF Camora –„Ghøst“ (Review + Album Stream)

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Einmal hin und zurück: Aus RAF Camora wird RAF 3.0 wird RAF Camora. Kann die Metamorphose überzeugen? Wir haben uns das neue Album „Ghøst“ angehört. Checkt hier unsere Review!

Einleitung

Während Fans von ihren Lieblingsrappern häufig erwarten, dass sie wieder so rappen wie zu ihren goldenen Anfangszeiten, ist es bei RAF Camora andersrum: Es gibt wohl kaum einen Künstler aus dem Deutschrap, von dem seine Anhänger von Album zu Album eine derartige musikalische sowie inhaltliche Weiterentwicklung erwarten wie bei RAF. Nachdem er gemeinsam mit Chakuza vor drei Jahren womöglich das Album mit dem für ihn höchsten Bodycount veröffentlichte („Zodiak“), ging es auf den darauffolgenden EP’s wieder etwas experimenteller und tiefgründiger zu. Zwar stieg „Zodiak“ auf Platz 4 in die deutschen Albumcharts ein, aber ich hatte dennoch das Gefühl, dass die Euphorie durch das Album schnell wieder abebbte.

Album Facts

  • 32 Tracks | 106 Minuten
  • Features: Kontra K (Artist Feature #48), Bonez MC, Metrickz, Farid Bang, Karmo Kaputto, Haze, Lü Rique, BTNG, Niklas Budinsky, Morten, Joshi Mizu und Daddy Supa
  • Produced by Jambeatz, RAF Camora, Stereoids, Morten, Abaz + more
  • Released by BMG/Indipendenza (Groove Attack)
  • Releasedate: 15. April 2016

Raf Camora Ghost Presse 3

Review

Nun ist RAF also wieder zurück und vereint seine beiden Alter Ego’s „Camora“ und „3.0“. Die ersten Video-Singles konnten bereits überzeugen – der Wiener scheint wieder mit einem konkreten Plan an sein Projekt herangegangen zu sein und man spürt, dass zwei Musiker-Herzen in ihm schlagen. Es gibt keine lieblosen Songs aus gerappten Strophen und gesungenen Refrains – alleine das ist schon ein Punkt, der sehr für das Album spricht. Berechnung oder Kalkül spielen hier keine Rolle – derzeit sicher nichts Selbstverständliches im immer besser durchkalkulierten Deutschrap-Spiel, in dem R&B-Einflüsse meist dazu genutzt werden, um einen kommerziellen Hit zu landen.

RAF geht den nächsten logischen Schritt – wenn es denn mal nur einer ist – und zeigt sich auf „Ghøst“ tatsächlich authentisch vielseitig.

„3.0 und Camora verschmolzen zu schwarzer Materie – die Macht ist gigantisch!“

… faßt RAF die Metamorphose passenderweise auf „Therapie nach der Zukunft“ zusammen. Das Album ist futuristisch digital und gleichzeitig bodenständig analog: Auf der einen Seite ein lockerleichter Soundtrack zum Sommer und auf der anderen Seite tiefgründige Musik für die dunklen Tage – für jeden ist etwas dabei. Die 32 Songs zeigen, was der Wahl-Berliner alles am Stift, an den Instrumenten und an den Reglern kann. Der Künstler, der über die letzten Jahre über Bass-, Klavier-, Geige- und Schlagzeugunterricht nahm und seit 2010 keinen Beat mehr ohne seine geliebte 808 gemacht hat, bleibt sich von seiner Herangehensweise dennoch treu.

Trotzdem zieht sich ein lose gesponnener roter Faden durchs Album, der dem Ganzen eine Stringenz verleiht und es eben zu einem kompletten, schlüssigen Projekt macht. In Fall von „Ghøst“ ist es der leichtfüßige Wechsel zwischen Gesang und Rap. Wobei der Anteil der gesungenen Parts höher ist, als auf allen bisherigen Alben. Und wenn RAF singt, sollte man keinen Vergleich zu anderen Rappern suchen, die ebenfalls ihre Hooks einsingen, denn er spielt nicht in der Liga eines MoTrips oder B.S.H. Der 31-jährige ist mit einer ziemlich gefühlvollen Stimme gesegnet und versteht es vor allem, die Melancholie seiner Songs gekonnt in Szene zu setzen. Bei einer solchen Überdosis an Vielfalt fällt es mir ziemlich schwer, eine Struktur in meine Review zu bringen. Ich habe es trotzdem einmal versucht:

Die Hits
Wenn wir den Begriff „Hit“ unter pop-typischen Aspekten wie Eingängigkeit und Ohrwurm-Songs betrachten, ist es vor allem die positive Seite der LP, die sich dadurch auszeichnet. Bereits nach dem ersten Hören von „Schaufenster“ „Geschichte“, „Mein Leben“ und „Nummer“ bin ich in der Lage und auch gewillt die Refrains mitzusingen. Doch die absoluten Highlights diesbezüglich sind das Reggae-angehauchte „So lala“ und „Uns“. Purismus ist hier das Stichwort: Auf musikalischen Reggae-Merkmalen wird sich mit dem Leben in Extremen auseinandergesetzt. Ein „So lala“ und „Nie naja“ reichen dabei schon aus um mitzuwippen.

„Uns“ hingegen versinkt in analogisierten Akustik-Gitarren. In der Ode um Selbstwertschätzung gelingt es dem „Rising Star 2014“-Teilnehmer Niklas Budinsky mit quasi einem Satz die angenehme Melancholie mit einem Quäntchen Fernweh perfekt einzufangen. Die zwei tiefergehenden Strophen von RAF machen den Track zu einem potenziellen Radio-Hit. Genrell: Wörter wie Radiohit oder Mainstream stören mich generell nie und ich verstehe bis heute nicht wieso das ständig als Kritikpunkt genommen wird. Schon gar nicht, wenn man es noch so authentisch wie RAF Camora macht.

Mit den melo-dramatischen „Schlangen“ bei dem es um sein arglistiges Umfeld geht und dem daraus resultierenden „Panzer“ liefert er zudem noch eine Hommage an die Wiener Klassik, die wahrscheinlich mehr sein musikalisches Verständnis und Können unterstreichen, anstatt Tracks für die Rap-Fans, sein sollen. Setzt RAF Camora an einen Flügel und er wird zum modernen Mozart.

Der Rap-Einfluss
Den Tracks zum Trotz, die das Album für jeden etwas zugänglicher machen, sind es die Machtdemonstrationen in Sachen Deutschrap, die mich persönlich begeistern und von denen es ebenfalls genug gibt. Wieso auch nicht? Mindestens drei erfolgreiche Jahre liegen hinter ihm. Da gibt es eben jede Menge Eindrücke die verarbeitet werden müssen und das Ego ist auch nicht kleiner geworden. Ganz im Gegenteil: Bereits im Intro „R.R.B.B.“ wird sich mit Picasso, Obama, Rocky und vielen mehr verglichen, während die Konkurrenz eher auf dem Niveau von einem Maler/Lackierer, Castro und Ivan Drago ihr Handwerk ausübt.

Die Kampfansage „Hero“ mit Raubtier-Liebhaber Kontra K erzeugt durch den dramatischen Aufbau der Soundkulisse die gewollte Atmosphäre und lässt den Hörer die Zähne zusammenbeißen und mit gesenktem Kopf durch die schwere Zeit laufen. Die Features mit Karmo Kaputto und Haze für „Ghøst“ zeichnen sich weniger durch ihre Atmosphäre aus, sondern vielmehr durch die Lust am Rappen. RAF bot den Gästen dabei genug Freiraum, um dem Ganzen ihre typische Note mitzugeben: Haze überzeugt mit seinen authentischen, harten und schnörkellosen Straßenanleihen, während Karmo Kaputto seine Schnoddrigkeit nach außen trägt.

Abschließend dazu bringt RAF seine Sozialisierung und Liebe zum Rap in der ersten Strophe von „Magnetisch“ zum Ausdruck. Auch hier bleibt sich RAF Camora treu und bedient sich nicht GoldenEra- oder BoomBap-Elementen, wie man es sonst von peinlichen Song dieser Art gewohnt ist. Dieser Grat zwischen deep, bewegend und unterhaltsam auf der einen und oberflächlich, pathetisch und nervig auf der anderen Seite ist ja oft sehr schmal.

Weitere Features
Ganz generell scheint es so, als hätte RAF seine Features sehr gezielt ausgesucht und so überzeugen diese auch fast ausnahmslos. Wo der Hauptprotagonist sich eventuell mal etwas zu sehr vom Ufer namens Rap entfernt, wiegen die Gäste das wieder auf und verleiten RAF dazu, etwas zurück zu rudern. Neben dem bereits erwähnten Niklas Budinsky ist es allen voran Metrickz, der es schafft, dieses Gefühl, das der Track „Mein Leben“ aufbringt, von DER verflossenen Liebe und unvergessenen Momenten zu verstärken. Des Weiteren bringen sich die Newcomer Lü Rique und Morten mit ihrem bekannten und wohldosierten Sound aus Cloud und Trap mit ein. In der etwas vernebelten Online-Sozialkritik „Instagun“ kann ich als beinahe 30-jähriger Hip-Hop Fan etwas weniger anfangen, was aber auch nicht schlimm ist, da der Song dafür thematisch zu hundert Prozent punktet.

Für Außenstehende überraschend gestaltet sich auch der Song „Verzeih mir“ mit Farid Bang, der in letzter Zeit mit „Asphalt Massaka 3“ und seinen Nebenkriegsschauplätzen abseits der Musik nicht gerade für nachdenkliche und zwischenmenschliche Songs auf sich aufmerksam machen konnte. Und auch selbst nach seinen Hit-Singles „Teufelskreis“ und „Kein Träne“ hätte ich mir auch in diesem Fall eine Farid Bang-typischere Nummer ohne Auto-Tune gewünscht – bspw. im Stile der ersten Zusammenarbeit mit RAF „Du Fils de Pute“. Manchmal sollte der Schuster eben wirklich bei seinen Leisten bleiben. Das Feature, was wohl am stärksten heraussticht, ist Daddy Supa, den er als absolutes Wunsch-Feature bezeichnet und direkt zwei Tracks mit ihm aufgenommen hat.

Raf Camora Ghost Presse 1

Fazit

Wenn die bisherigen RAF-Alben mit Sicherheit nicht jedermanns Sache waren, ist „Ghøst“ ein großer Schritt in die richtige Richtung, wenn es darum geht, leicht- und zugänglicher zu werden ohne dabei nach erzwungener Massentauglichkeit zu klingen. RAF bleibt sich selbst treu und schafft es, dies nach einer logischen Weiterentwicklung klingen zu lassen. Trotz dessen hat „Ghøst“ auch einige „pop-typische“ Hits.

Positiv fällt mir auf, dass sich alles durch eine stringent-durchdachte Inszenierung auszeichnet. Vom Cover, über den musikalischen roten Faden bis hin zur Abmischung – alles erscheint einheitlich. Klar bleibt bei 32 Tracks der eine oder andere „Skip-Kandidat“ nicht aus, dennoch klingt jeder Track am Ende vollwertig und perfekt abgemischt. Wo es kaum Kritikpunkte gibt, sollte man auch keine künstlich erzeugen: Das (bisherige) Deutschrap-Highlight 2016!

Full Stream + Cover

Raf Camora Ghost Cover

Anspieltipps (Top 3)

„Uns“ (feat. Niklas Budinsky)
„Mein“ Leben (feat. Metrickz)
„Hero“ (feat. Kontra K)

Tracklist

01. R.R.B.B.
02. NOAH (Video)
03. Creator
04. Dämonen (Video)
05. Schaufenster
06. So lala (Video)
07. Hero (feat. Kontra K)
08. Kaleidoskop
09. Panzer
10. Ghøst (Video)
11. Geschichte (feat. Bonez MC) (Video)
12. Mein Leben (feat. Metrickz)
13. Verzeih mir (feat. Farid Bang)
14. Nummer
15. Schlangen
16. Magnetisch

Bonustracks:
17. Therapie nach der Zukunft
18. Halt Abstand
19. Film (feat. Karmo Kaputto)
20. Koch
21. Kompass
22. Zu einfach (feat. Haze)
23. Hör mich nicht (feat. Lü Rique)
24. Ich lebe (feat. BTNG)
25. Hier
26. Niemals stehen
27. Es klaut mir den Atem
28. Bandmaschine
29. Uns (feat. Niklas Budinsky)
30. Instagun (feat. Morten & Joshi Mizu)
31. Je pense a elle (feat. Daddy Supa)
32. Gunshot (feat. Daddy Supa)

Der Beitrag RAF Camora – „Ghøst“ (Review + Album Stream) erschien zuerst auf RAP-N-BLUES.com.


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